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AUSGABE Nr.2 Januar-Februar 2007

Länderüberblick Mittlerer Osten:
Katar - die Perle im Golf

Die Moderne hat mittlerweile auch in dem kleinen Wüstenstaat Einzug gehalten. Noch gilt Katar als Geheimtipp, doch Touristen und Investoren haben schon lange ein Auge auf die Perle am Golf geworfen.

Die Halbinsel Katar ragt stolz in den persischen Golf hinein. Sie grenzt unmittelbar an Saudi-Arabien und liegt in direkter Nachbarschaft zum Inselstaat Bahrain im Norden und den Vereinigten Arabischen Emiraten im Süd-Osten. Der aufstrebende Staat umfasst eine Fläche von 11 437m². Zum Vergleich: Das Bundesland Hessen ist nur doppelt so groß. Landschaftlich ist die Halbinsel als eher karg einzustufen, so gehört Katar zu den trockensten Ländern der Welt. Die dünenreiche Sandwüste im Süden des Landes wechselt sich mit Geröll- und Kieswüsten im Norden ab. Sehenswert ist die Meereslagune Khor Udaid im Südosten nahe der saudischen Grenze. Gegen alle europäischen Vorstellungen ist es am Golf nicht heiß und trocken. Denn in Katar herrscht, wie in der gesamten Region, subtropisches Klima. Typisch für dieses Gebiet ist die große Hitze im Sommer mit einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit, die während der heißen Monate bis zu 80 % betragen kann. Die Temperaturen klettern während dieser Periode ohne Probleme über die magische Grenze von 45 Grad.

In der modernen Hauptstadt Doha leben heute bis zu 400.000 Menschen. Die Küstenstadt entwickelte sich zum wichtigsten Zentrum der Öl- und Fischindustrie in Katar. Die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung stammt ursprünglich aus dem Iran und spricht neben Arabisch auch Persisch. Das Bild Katars wird jedoch durch eine Vielzahl von Gastarbeitern aus Pakistan, Bangladesch, dem Sudan, Indien und Nepal geprägt.
Wer sich mit der Geschichte Katars befasst, der wird sehr schnell feststellen, dass die Bewohner dieses Landstrichs schon immer mit der großen Trockenheit zu kämpfen hatten. Zwar lebten während der Steinzeit Menschen auf der Halbinsel, doch mussten diese das Land wegen der zunehmenden Wasserknappheit verlassen. Nur wenige Beduinen trotzten den Temperaturen und den unmenschlichen Bedingungen und blieben in dieser Region.
Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts siedelten sich Sippen der Al Thani und Al Chalifa erneut in dem Gebiet an. Erbitterte Machtkämpfe folgten und endeten erst mit der Eroberung Bahrains im Jahre 1783 durch den Stamm der Al Chalifa. Doch Katar blieb von weiteren Unruhen nicht verschont. Großes Interesse zeigten nämlich neben den Persern auch die Omaner und die Araber der Piratenküste an dem Landstrich.
Doch die Streitigkeiten zwischen den Familien der Al Thani und der Al Chalifa von Bahrain hörten nicht auf. Erneut kämpften beide Stämme 1867 um die Vorherrschaft in Katar. Es sollte erst Ruhe einkehren, nachdem sich die Briten in das Geschehen einmischten. Sie erzwangen Frieden zwischen den streitenden Parteien und schlossen schließlich im Jahre 1868 einen Schutzvertrag mit Katar. Der Frieden war besiegelt und die Briten übernahmen die Vorherrschaft auf der Halbinsel. Gekonnt setzten sie nun ihre eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen in der Region durch. Selbst den Vormarsch der Osmanen schlugen die Briten erfolgreich nieder und festigten damit ihre Machtstellung am Golf.

Ruhigere Zeiten und ein blühender Perlenhandel bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts ließen Katar aufatmen. Doch traf den Wüstenstaat das gleiche Schicksal wie die heutigen Vereinigten Arabischen Emirate. Mit Aufkommen japanischer Zuchtperlen brach fast der komplette Perlenhandel zusammen. Das Land wurde wirtschaftlich so stark getroffen, dass viele Einwohner ihre Heimat verlassen mussten. 1939 wurde schließlich das erste Öl in Katar gefunden und die Wirtschaft blühte langsam wieder auf.
Weit reichende politische Veränderungen erlebte die ganze Golfregion durch den Rückzug der Briten Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Sie entließen dadurch die Golfstaaten in ihre Selbständigkeit. Katar stand damals vor der großen Entscheidung, der Föderation der arabischen Emirate beizutreten oder nicht. Doch lehnte Katar diesen Zusammenschluss ab und rief 1971 seine Unabhängigkeit aus.
Der Sturz des Emir Ahmad ibn Ali durch Chalifa ibn Hamad ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung brachte das Land in die Neuzeit. Der neue Herrscher forcierte die wirtschaftliche Entwicklung Katars. Die Öl- und Erdgasfunde bescheren dem Land einen unsagbaren Reichtum und das Pro-Kopf-Einkommen der Einwohner Katars gehört zu den höchsten der Welt. Doch stellt auch die Groß- und Schwerindustrie einen wichtigen wirtschaftlichen Bereich Katars dar.

Neben immensen Ölfeldern befindet sich das größte Erdgasvorkommen der Welt in Katar. Noch heute gehören Gas und Erdöl zu den Haupteinnahmequellen des Wüstenstaates. Nach Informationen des Auswärtigen Amtes entfielen im Jahr 2005 62% des Bruttoinlandproduktes (BIP) auf diesen Sektor. Verschwindend gering ist dagegen der Anteil des Dienstleistungsbereichs am BIP mit nur ca. 8,75%. Nach aktuellen Schätzungen belaufen sich die Rohölreserven auf 15,2 Mrd. Barrel. Bei einer Fördermenge von einer Mio. Barrel pro Tag werden diese Reserven noch bis zu 60 Jahre vorhalten. Das größte Erdgasfeld der Welt, das „North Field“, wurde im Jahr 1971 entdeckt. Die dort vorgefundenen Reserven beliefen sich 2005 auf ca. 10.900 Mrd. Kubikfuß. Nördlich von Doha entstand mit „Ras Laffan Industrial City“ die größte Erdgas-Verflüssigungsanlage der Welt. Das produzierte Flüssiggas kann problemlos von dem eigens dafür erbauten Hafen in die gesamte Welt exportiert werden. Katar ist schon jetzt der größte Flüssiggasexporteur Asiens. Der Sprung nach Europa ist dem Wüstenstaat durch Exportverträge mit Spanien, Italien, Großbritannien und Frankreich gelungen. Langsam aber sicher entwickelt sich Katar zum Zentrum eines Gasverbundnetzes der Golfstaaten. So werden mittlerweile die Vereinigten Arabischen Emirate und auch der Oman mit Naturgas aus Katar beliefert. Doch versucht das Land auch im landwirtschaftlichen Bereich Fuß zu fassen. Außerdem sind Fischfang und die großen Häfen Katars von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Seit 1997 ist die Außenhandelsbilanz Katars positiv. Die Exporte stiegen schon 2004 auf 16,8 Mrd. USD an und sind damit drei Mal höher als die Importzahlen. Auch durch die steigenden Ölpreise am Weltmarkt der letzten Jahre stieg der Handelsbilanzüberschuss. So wird die Wirtschaft Katars, die hauptsächlich auf den Export und die Weiterverarbeitung von Erdöl und Erdgas ausgerichtet ist, auch in den kommenden Jahren ungebremst wachsen.
Der moderne Wüstenstaat ist auch im Technologiebereich sehr weit entwickelt. So wurde das Telefonsystem bereits komplett digitalisiert. Das Land bemüht sich um modernste Techniken, verfügt schon jetzt über ein sehr gut ausgebautes Straßennetz und plant bis 2015 den Bau eines Flughafens der 50 Mio. Gäste pro Jahr abfertigen soll.
Seit 1981 gehört Katar dem Golf-Kooperationsrat (GCC) an. Dieser wurde im Mai desselben Jahres durch die VAE, Katar, Kuwait, Saudi-Arabien, Bahrain und den Oman gegründet. Die GCC-Staaten haben das erklärte Ziel, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen untereinander zu fördern. Auch arbeiten die Mitglieder in außen- und sicherheitspolitischen Fragen zusammen.

Spektakuläre Bauprojekte treffen auch in Katar auf fruchtbaren Boden und Doha scheint seinem Nachbarn Dubai in Nichts nachstehen zu wollen. Zwei geplante Brückengroßprojekte sollen die Abhängigkeit von Saudi-Arabien vermindern. Die so genannte „Freundschaftsbrücke“ zwischen Katar und Bahrain ist bereits geplant. Ein zweites Megaprojekt soll Katar mit den Emiraten verbinden. Doch damit nicht genug. Katar reiht sich neben den VAE in die Länder des künstlichen Inselbaus am Golf ein. Das ehrgeizige Projekt „The Perl“ ist dabei nur ein Bauvorhaben Katars. Der internationale Flughafen wurde schon so konzipiert, dass ein A 380 ohne Probleme landen kann.
Sportlich gesehen ist Katar für Radrennfahrer schon lange kein Fremdwort mehr. Die „Tour of Qatar“ bildet das Auftaktrennen der Doha International. Größen wie Erik Zabel oder Alessandro Petacci sind gern gesehene Gäste. Selbst Tennisbegeisterte kommen auf ihre Kosten. Seit 1993 findet in jedem Jahr das ATP - Tennisturnier in dem kleinen Wüstenland statt. Außerdem war Katar im vergangenen Jahr Austragungsort der Asienspiele. Moderne Stadien verhelfen schon jetzt Katar zu sportlichem Ruhm. Natürlich muss auch auf traditionelle Pferde- und Kamelrennen nicht verzichtet werden, sie finden regelmäßig in den kälteren Wintermonaten statt.

Die politischen Beziehungen zwischen Katar und der Bundesrepublik Deutschland sind sehr gut. Katar strebt besonders eine Intensivierung im wirtschaftlichen Bereich an. So soll deutsche Technologie für den Aufbau der katarischen Industrie eingesetzt werden. Des Weiteren ist ein Engagement von deutscher Seite im Aufbau von Joint Venture Firmen angestrebt.
Deutschland exportiert hauptsächlich Kraftfahrzeuge, Anlagen und Maschinen nach Katar. Der Warenaustausch zwischen den beiden Ländern ist eher unausgeglichen. So exportierte Deutschland von Januar bis November 2005 Waren im Wert von knapp 600 Mio. Euro und steigerte seine Exporte im Vergleich zum Vorjahr. Andererseits importierte Deutschland aus Katar nur Produkte im Wert von 21,7 Mio. Euro.
Deutschland ist für seinen guten Ruf im medizinischen Bereich bekannt. So ist es nicht erstaunlich, dass viele Bürger Katars nach Deutschland zu Untersuchungen und Behandlungen geschickt werden. Mittlerweile befinden sich sogar Ärzte aus Katar zur Facharztausbildung in Deutschland. Um diesen Austausch zu intensivieren, wurden Kooperationsverträge zwischen Kliniken beider Länder abgeschlossen, die eine Zusammenarbeit im Bereich der Forschung, Ausbildung und Lehre beschließen.
Der im Jahr 2002 gegründete „German Business Council Qatar“ soll die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und dem kleinen Wüstenstaat intensivieren.
Im bildungstechnischen Bereich betreut die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) ein Berufsbildungszentrum in Doha. Außerdem betreut die GTZ auch Projekte im Umwelt- und Gesundheitsbereich.