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AUSGABE Nr.5 Juli - August 2007

Tausendundeine Nacht
Geschichten aus dem Morgenland

Die Beschreibung „Tausendundeine Nacht“ ist ein gängiger Ausdruck und ruft sogleich romantische Vorstellungen dieser Region ins Gedächtnis. Besonders die Geschichten von Ali Baba und den 40 Räubern, Aladdin und der Wunderlampe oder Darstellungen der schönen Scheherarazade haben dazu beigetragen, dass die Geschichten aus „Tausendundeiner Nacht“ zu einem Klassiker der Weltliteratur wurden.

Schon lange beschäftigen sich Wissenschaftler aus der ganzen Welt mit der Erforschung der Herkunft von „Tausendundeiner Nacht“. Heute weiß man, dass die Erzählungen ursprünglich aus Indien, Persien und schließlich dem arabischen Raum stammen. Die indischen Geschichten gelangten nach Persien, wo sie ins Mittelpersische übertragen wurden. Laut Überlieferung sollen die Werke im 8. Jahrhundert aus dem Persischen ins Arabische übersetzt worden sein. Alf Layla, Tausend Nächte, wurde dabei mit islamischen Formeln und Zitaten angereichert.

Im Laufe der Zeit wuchs das Werk zu einer umfangreichen Sammlung morgenländischer Erzählungen an. Das Prinzip ist simpel, aber deshalb nicht weniger spannend und zieht sich kontinuierlich durch die gesamten Geschehnisse. Eine Rahmenhandlung wird mit den eigentlichen Geschichten kombiniert und fesselt den Leser ab der ersten Seite. In blumiger Art werden historische Erzählungen, lustige Anekdoten, Komödien, Tragödien und Liebesgeschichten miteinander vereint. Die Geschichte der schönen Scheherazade, die mit Hilfe ihrer Erzählungen nicht nur sich, sondern auch vielen anderen Frauen das Leben rettet, verzaubert noch heute den Leser.

Die Galland-Handschrift ist die älteste europäische Übersetzung der arabischen Sammlung. Sie entstand circa 1450 und bricht nach der 282. Nacht plötzlich ab. Entdeckt und übersetzt wurden die Schriften von Antoine Galland, einem französischen Orientalisten und Numismatiker. Galland entschärfte bei seinen Übersetzungen die religiösen und erotischen Komponenten von Tausendundeiner Nacht, deshalb gelten die Geschichten noch heute fälschlicherweise als Märchen für Kinder. Der Franzose fügte außerdem dem Originalwerk noch die Legenden von Sindbad dem Seefahrer, Aladdin und der Wunderlampe und Ali Baba und den 40 Räubern hinzu. Diese Geschichten kamen in der arabischen Urfassung nicht vor; Galland hörte diese Märchen von einem aus Syrien stammenden Mann in Paris.

Im 18. Jahrhundert war „Tausendundeine Nacht“ nach der Bibel das beliebteste Buch in Europa. Die Erzählungen haben den Geist der Zeit getroffen und einen regelrechten Orientboom ausgelöst. Die große Sehnsucht nach Abenteuer, Exotik und fremden Ländern wurde mit den Geschichten gestillt. In den folgenden Jahrhunderten wurden sie immer wieder übersetzt und veröffentlicht. In ihrem Heimatland waren die Geschichten zwar als Trivialliteratur verschrien, trotzdem wurden sie gelesen. Erst als die moderne arabische Literatur auf die Bedeutung der Werke im Europa des 18. und 19. Jahrhunderts aufmerksam wurde, änderte sich die Einstellung gegenüber den Erzählungen. Endlich bekamen sie auch in ihrem Ursprungsland das Ansehen, welches ihnen gebührt.

Noch heute haben die Erzählungen von „Tausendundeiner Nacht“ ihren festen Platz in der Literaturszene, im Jahr 2004 erschien die erste deutsche Übersetzung der Galland-Handschriften. Die Orientalistin Claudia Ott wagte sich an die schwierige Aufgabe und übersetzte mit großem Erfolg die Originalschriften.