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AUSGABE Nr. 10 Mai - Juni 2008

Ibn Battutas Reise ans Ende der Welt
Arabischer Weltenbummler des 14. Jahrhunderts

14. Jahrhundert: In Europa stirbt knapp ein Drittel der Bevölkerung an den Folgen der Pest. Zwischen England und Frankreich bricht der Hundertjährige Krieg aus. In China herrscht die Ming-Dynastie, und in Asien entsteht das osmanische Reich. Während dieser Zeit begab sich der 22-jährige Ibn Battuta auf seine erste Pilgerreise nach Mekka. Damit begann seine knapp 29 Jahre dauernde und 120.000 Kilometer lange Reise bis ans Ende der Welt.

Händler und Wanderer des 14. Jahrhunderts setzten sich enormen Gefahren und Strapazen aus. Reisen zu dieser Zeit bedeutete, lange Strecken zu Fuß oder mit Hilfe von Lasttieren wie Eseln, Kamelen oder Pferden zurückzulegen. Wegelagerer, feindliche Truppen, Hunger und Durst waren die größten Feinde der Pioniere. Auf hoher See musste mit Stürmen oder Flauten gerechnet werden, die jede Reise zu einem Aufbruch mit ungewissem Ende machten. Doch all diese Gefahren konnten den jungen Battuta nicht von seinen Wanderschaften abhalten. Die Abenteuerlust führte ihn durch Ägypten, Arabien, Anatolien, Europa, Indien, China und Teilen Afrikas. Die zurückgelegte Strecke des arabischen Forschers war dreimal länger als die seines Vorreiters Marco Polo, allerdings stellt sich die chronologische Ordnung der Expeditionspunkte heute als sehr schwierig heraus. Dies liegt zum einen daran, dass die Aufzeichnungen erst lange nach den Reisen verfasst wurden, zum anderen war Battuta selbst für deren Entstehen verantwortlich. Somit ist kaum nachvollziehbar, welche Erlebnisse der Wahrheit entsprechen und welche frei erfunden wurden, doch gibt sein Buch „Rihla“ (Reise) Einblicke in das Leben des 14. Jahrhunderts und spiegelt die islamische Weltansicht dieser Zeit wieder. Battuta gilt als berühmtester Reiseschriftsteller der arabischen Welt; seine Aufzeichnungen lassen erahnen, welch großen Einfluss die arabischen Besetzer des 7. und 8. Jahrhunderts auf die europäische Entwicklung hatten. Deutlich sind dabei die Impulse zu erkennen, die von arabischen Wissenschaftlern gegeben wurden und die kulturelle, aber auch geistige Entwicklung Europas beeinflussten.

Aufbruch nach Mekka
Der arabische Forschungsreisende Ibn Battuta wurde 1304 in Tanger, Marokko, als Kind eines Gelehrten geboren. Mit 21 Jahren begab sich der tiefgläubige Moslem 1325 auf seine erste Pilgerfahrt nach Mekka. Der Weg führte ihn entlang der nordafrikanischen Küste nach Alexandria und weiter nach Kairo. Eine kleine Abweichung vom geplanten Pfad brachte ihn in die Hafenstadt Aidhab, die direkt am roten Meer lag. Aufstände zwangen Ibn Battuta jedoch umzukehren. So kam er erneut nach Kairo und setzte seine Reise nach Damaskus fort. Auf dem Weg nach Syrien besuchte er die heiligen Städte Hebron, Jerusalem und Bethlehem. In Damaskus angekommen, schloss er sich schließlich einer Karawane an, die ihn nach Medina brachte. Von dort aus begab er sich nach Mekka, dem ursprünglichen Ziel seiner Reise.

Reisen in den Iran und Irak
Seine Abenteuerlust ließ ihn in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr los. Getrieben von einer inneren Unruhe machte er das Entdecken neuer Länder zu seinem Hauptlebensziel. Nach der ersten Pilgerreise führte ihn der Weg Richtung Norden, in das Gebiet des heutigen Irans und Iraks; sicher gelangte der junge Araber im Schutz der Karawane nach Nadschaf, südlich von Bagdad. Auf seiner Expedition besuchte er Basra und die Gebirgsstadt Isfahan. Den Überlieferungen zufolge entdeckte Battuta eine Höhle, die kostbare Schätze enthielt, doch konnte ihn der ganze Reichtum nicht halten. Es trieb ihn nach Schiraz, einer Stadt im heutigen Staatsgebiet des Irans, danach erkundete er Bagdad und die Handelsmetropole Täbris an der Seidenstraße. Nach dieser großen Reise zog es ihn zurück nach Mekka. In der heiligen Stadt angekommen, schlug er dort für ein Jahr sein Lager auf. In aller Ruhe bereitete Battuta nun seine nächste große Expedition vor.

Nächste Station: Afrika
Den unermüdlichen Geist drängte es nach Afrika. Während eines Zwischenstopps in Aden, einer jemenitischen Küstenstadt, überlegte er kurz, sesshaft zu werden. Durch lukrative Geschäfte mit indischen Händlern hätte er ein Vermögen verdienen können. Die Verlockung war groß, doch der junge Araber verwarf diesen Plan und entschied sich, seine Reise auf dem afrikanischen Kontinent fortzusetzen. Battuta besuchte Städte in Äthiopien, Somalia, Kenia, Tansania und die Insel Sansibar. Nach dieser großen Expedition kehrte er Afrika den Rücken und segelte zurück in den Süden der arabischen Halbinsel. Des Wanderns noch lange nicht müde, bereiste er Oman und die Straße von Hormuz. Nach diesen jahrelangen Anstrengungen entschied sich der unruhige Geist zu seiner dritten Hadsch, der islamischen Pilgerfahrt nach Mekka. In der heiligen Stadt verbrachte Battuta die folgenden zwölf Monate und studierte die Lehren des Islam.

Über die Türkei nach Indien
Den Widrigkeiten des 14. Jahrhunderts trotzend machte er sich auf den Weg nach Anatolien. Erneut nahm er den Schutz einer Karawane in Anspruch und reiste er nach Alanya, auf dem Staatsgebiet der heutigen Türkei. Über die Krim und erhebliche Umwege erreichte Battuta schließlich Ende 1332 Konstantinopel. Vier Wochen verweilte er in der Stadt am Bosporus, bis er seinen Weg nach Indien fortsetzte. Mit Erreichen der indischen Grenze stellte er sich sofort in die Dienste des Sultans von Delhi. Er kam zur richtigen Zeit: Für das neue muslimische Sultanat, wollte der Regent viele islamische Gelehrte anstellen. Dank Battutas langer Studienzeit in Mekka stellte der Sultan ihn sofort als Richter ein, jedoch machte der cholerische Sultan dem jungen Araber das Leben zur Hölle. Nach einigen unüberwindbaren Schwierigkeiten mit dem Staatsoberhaupt ergriff Battuta die Möglichkeit, als Botschafter nach China zu reisen.

Bruchlandung auf den Malediven
Mit all seinem Besitz und einem großzügigen Geschenk für den chinesischen König begab er sich auf den Weg. Eine Reihe unvorhergesehener Zwischenfälle ereigneten sich während Reise, so wurde Battuta als Ungläubiger gefangen genommen und kam in ein Gefängnis. Ihm gelang die Flucht, und nach zwei Tagen erreichte er seine Truppen, doch damit riss die Pechsträhne nicht ab. Endlich in der Hafenstadt Kandahar angekommen bestieg das Gefolge die großen Schiffe, die sie über den Seeweg nach China bringen sollten. In Kalikut musste ihre Fracht auf chinesische Boote verladen werden, da zur damaligen Zeit nur einheimische Segelschiffe die chinesischen Hoheitsgewässer befahren durften. Unglücklicherweise zerschellten diese Boote in einer stürmischen Nacht mitsamt den Geschenken für den chinesischen König und Battutas Habseligkeiten. Als armer Mann kam er über Umwege auf die Malediven und verweilte dort neun Monate. Seinen Unterhalt verdiente sich der Reisende als Richter; eine Heirat in das maledivische Königshaus machte ihm eine Weiterreise fast unmöglich. Mehr und mehr verstrickte er sich in die Lokalpolitik. Leider musste er die Inselgruppe nach einigen harten Urteilen wieder verlassen, da die Entscheidungen den liberalen Bewohnern missfielen. Einer Reise nach China schien nun nichts mehr im Wege zu stehen.

Endlich in China
Das chinesische Festland erreichte der Weltenbummler erst nach erneuten Schwierigkeiten, doch er trotzte den widrigen Umständen und gelangte bis in den Norden nach Hangzouh, einem Ort in der Nähe des heutigen Shanghai. Nach der zeitlichen Verzögerung und dem Verlust der königlichen Geschenke traute er sich nicht mehr, sich in die Dienste des indischen Sultans zu stellen. Er kehrte China den Rücken und pilgerte zum vierten Mal nach Mekka. Nach den Jahren der Wanderschaft entschied sich der arabische Forscher schließlich in seine Heimatstadt Tanger zurückzukehren. Dem Schrecken der Pest entflohen, machte Battuta einen vermeintlich letzten Zwischenstopp auf Sardinien. Endlich in seinem Heimatland angekommen hielt ihn jedoch nichts lange in Marokko. Sein neues Ziel hieß Al-Andalus in Spanien, das zur damaligen Zeit islamisch besetzt war.

Auf Entdeckungsreise in Spanien
Battuta machte sich auf, um Gibraltar vor Alfons XI. von Kastilien zu verteidigen. Als er die Hafenstadt erreichte, war Alfons an der Pest gestorben, und dem islamischen Gibraltar drohte keine Gefahr mehr. So konnte Battuta vergnüglich seiner Reiseleidenschaft nachgehen. Von Neugier getrieben erkundete er die Städte Valencia und Granada; gesättigt von Spanien trat er seine Heimreise über Marrakesch nach Fez an. Der Reisende Battuta konnte jedoch an keinem Ort länger verweilen und schloss sich im Herbst 1351 erneut einer Karawane an. Sein Ziel: eine Stadt im Herzen der Sahara. Die Reise auf dem Niger brachte ihn schließlich nach Timbuktu, seinem letzten Reiseziel. Den Überlieferungen zu Folge befohl ihn der marokkanische Sultan endgültig nach Hause.

Rückkehr nach Marokko
1353 traf er nach Jahrzehnten der Wanderschaft in Marokko ein. Der streng gläubige Moslem Ibn Battuta hatte fast die gesamte islamische Welt des 14. Jahrhunderts in weniger als 30 Jahren bereist. Er profitierte zweifelsohne von der noch heute bekannten Gastfreundschaft arabischer Länder und einer großen Portion Glück. Der Forscher wurde als Held in seiner Heimat gefeiert und lebte noch über zwanzig Jahre, bis er schließlich 1377 starb. 500 Jahre blieben seine Aufzeichnungen verschwunden, sie wurden erst im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. Die Forschungen und Reisen machen Ibn Battuta noch heute zu einer der wichtigsten Figuren und Zeitzeugen des Orients längst vergangener Tage.
Mit der "Ibn Battuta Mall" hat man auch in Dubai dem Weltreisenden des 14. Jahrhunderts ein zeitgenössisches Denkmal gesetzt. Das Einkaufszentrum gliedert sich in die sechs Themenbereiche China, Indien, Persien, Ägypten, Tunesien und Andalusien auf und vermittelt den einkaufswütigen Besuchern einen Einblick in Ibn Battutas Reiseerlebnisse.