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AUSGABE Nr. 10 Mai - Juni 2008

Fußball auf Arabisch: Interview mit Winnie Schäfer
„Ich bin hier beim FC Bayern München vom Golf“

Es ist bereits seine zweite Trainerstation in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE): Nach Al-Ahli in Dubai (März 2005 bis Februar 2007) trainiert Winfried Schäfer seit Dezember 2007 den Fußballverein von Al Ain. Wir sprachen mit dem aus der Eifel stammenden Trainer über die Mentalität des arabischen Fußballs, über die Aufgaben und Herausforderungen als Trainer in diesem Land und über die Chancen seiner Spieler in der Deutschen Bundesliga.

Herr Schäfer, wie muss man sich den Trainerjob in den VAE vorstellen?
Im Grunde wohl genauso wie überall sonst auf der Welt. Wegen der Hitze trainieren wir natürlich nicht mittags. Zudem spielt hier die Kultur eine große Rolle, sodass sich der Tagesablauf mit den Trainingseinheiten und Mannschaftsbesprechungen nach den Gebetszeiten richtet. Aber da passe ich mich selbstverständlich an, weil ich großen Respekt vor der Religion und Kultur hier im arabischen Raum habe. Insgesamt bietet mir der Verein sehr professionelle Bedingungen, sodass es Spaß macht, hier zu arbeiten und Al Ain nach vorn zu bringen. Es ist nicht so, dass ich hier nur das gute Wetter genieße, ich will auch sportlich etwas erreichen. Ich will mit Al Ain die Meisterschaft gewinnen, das ist mein Projekt hier.

Haben Sie viele Ausländer im Team?
Nein, denn es gibt eine Beschränkung des Verbandes, dass höchstens drei Ausländer gleichzeitig spielen dürfen. Es wäre besser, sich den anderen Golfstaaten anzupassen und den Ausländeranteil auf fünf zu erhöhen; auch dürfen keine Torleute aus dem Ausland engagiert werden. Wir versuchen hier sehr viel mit den einheimischen Spielern und wollen zuerst diese besser machen. Natürlich sind auch einige Ausländer dabei, vor allem Brasilianer. Die sind dann auch oft die Leistungsträger in ihren Teams. Wir bauen das Team gerade neu auf mit vielen jungen und unbekannten Einheimischen, die großes Talent haben.

Wo sehen Sie den Schwerpunkt Ihrer Arbeit hier?
Ich sehe mich hier als Fußballlehrer. Ich bin angestellt, um die Spieler weiter auszubilden. Fußball spielen können die eigentlich alle, haben teilweise eine super Technik. Es geht darum, ihnen Systeme beizubringen und die Disziplin auf dem Platz, sich an die vorgegebene Taktik zu halten. Viele haben so viel Spaß am Fußball, dass sie bei einer Führung nur noch schön spielen wollen. Aber es wird immer besser, denn die Lernbereitschaft der jungen Spieler ist sehr hoch und alle sind mit großer Begeisterung dabei.

Deutsche Trainer sind sehr beliebt in den VAE, vor zwei Jahren gab es gleichzeitig sechs, die hier einen Verein trainiert haben. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Wir Deutschen gelten als fleißig. Als ich mit Al-Ahli Meister wurde, gab es im Anschluss einen richtigen deutschen Trainerboom in den Emiraten. Von der taktischen Ausbildung sind wir sehr gut, können daher den Spielern einiges beibringen. Außerdem trainieren wir sehr häufig, mehr als die Trainer aus anderen Ländern hier, und legen auch viel Wert auf eine gute Fitness. Man kann schon sagen, dass sich auch durch die deutschen Trainer hier das Niveau der Liga in den letzten Jahren deutlich gebessert hat, auch die Nationalspieler werden besser.

Und gewannen so zuletzt den Golf-Cup.
Genau. Eine tolle Sache für die Nation, durch den Erfolg dort ging noch einmal ein Ruck durch dieses ohnehin schon fußballbegeisterte Land. Hier entsteht richtig was und ich bin froh, dabei zu sein und zu helfen.

Denken Sie dennoch manchmal an eine Rückkehr nach Deutschland?
Ich kann das nicht ausschließen, aktuell ist das aber kein Thema für mich. Ich habe auch noch für die nächste Saison einen Vertrag und will den erfüllen, weil ich hier etwas aufbauen und zu Ende bringen will. Das heißt, Al Ain nicht nur zurück an die Spitze der VAE, sondern der ganzen Golfregion zu bringen. Dabei unterstützt uns Scheich Haza bin Zaid tatkräftig. Deshalb bin ich auch nicht Nationaltrainer von Iran oder Tunesien geworden, obwohl es Angebote gab.

Verfolgen Sie den deutschen Fußball denn noch? Und wo würde Ihr Team Al Ain dort spielen?
Natürlich, über die Bundesliga bin ich nach wie vor gut informiert. Man kann hier Samstagabend die Sportschau schauen, manchmal wird auch ein Spiel live übertragen, und ich sehe oft im Internet nach. Wo Al-Ain dort spielen würde, ist schwer zu sagen. Ich denke, meine Mannschaft könnte in der 2. Bundesliga mithalten, würde dort auf einem Mittelfeldplatz stehen.

Haben Sie auch Spieler in Ihren Reihen, die es in die 1. Bundesliga schaffen könnten?
Ja, einige könnten das schaffen. Es ist aber eine sehr große Umstellung, man muss sich der Liga anpassen. Das konnte man auch bei Ali Karimi sehen, der hier in Dubai ein Star war, bei Bayern München dann aber scheiterte. Das größte Talent in meinem Team ist Farez. Er ist erst 20 Jahre alt, spielt schon im rechten Mittelfeld bei der Nationalmannschaft. Er muss noch viel lernen, könnte es aber packen.

Welche Rolle spielt der Fußball in diesem Land?
Eine sehr große, der Fußball ist hier Volkssport Nummer eins. Die Menschen lieben es, ihre Mannschaften anzufeuern und sind mit viel Leidenschaft und Emotionen dabei, um ihr Team zu unterstützen. Davon habe auch ich mich schon anstecken lassen: Im Entscheidungsspiel um die Meisterschaft damals mit Dubai musste ich auf die Tribüne, weil ich mich über den Schiedsrichter beschwert habe. Als dann klar war, dass wir die Partie gewinnen und somit den Titel holen, war um mich herum eine solch fantastische Stimmung, dass ich mit den Fans spontan einen Bauchtanz hinlegte, was dann auch noch im Fernsehen zu sehen war.

Wie kommunizieren Sie hier mit Ihren Spielern?
Den größten Teil besprechen wir auf Englisch. Und mein Co-Trainer übersetzt dann sicherheitshalber noch einmal auf Arabisch, damit es da keine Missverständnisse gibt. Ich habe unserer Presseabteilung nun auch eine Liste mit den wichtigsten Fußball-Vokabeln gegeben, die sie für mich ins Arabische übersetzen. Aus Respekt gegenüber Land und Leuten möchte ich zusätzlich Arabischstunden nehmen, um mich zukünftig mit meinen Kollegen in ihrer Muttersprache zu unterhalten.

Wie ist der Ruf des deutschen Fußballs hier?
Der ist sehr gut. Die Engländer sind allerdings stärker präsent hier und haben die bessere Vermarktung: Im Fernsehen laufen alle Spiele der Premier League,  Manchester United hat sogar ein Trainingscenter hier. Dennoch ist auch der deutsche Fußball beliebt, speziell die Nationalmannschaft, die ja auch mehr Erfolge hat als die englische. Viele deutsche Vereine kommen mittlerweile auch zu ihrem Wintertrainingslager nach Deutschland. Ich war damals übrigens als Trainer des Karlsruher SC der erste deutsche Verein, der hier sein Trainingslager abgehalten hat. Zur Vorbereitung auf die neue Saison, die im August startet, planen wir mit Al Ain nun, ein Trainingslager in Deutschland zu machen. Dort sind ja spätestens durch die WM ideale Bedingungen und Anlagen dafür entstanden.

Erzählen Sie uns zum Schluss eine Anekdote aus Ihrer Zeit hier in den Vereinigten Arabischen Emiraten?
Als ich damals das Angebot aus Dubai hatte, bin ich mit zwei Hemden im Koffer zu den Verhandlungen geflogen und dachte mir: „Mal sehen, was so passiert und was sie dir anbieten.“ Die Gespräche verliefen dann sehr gut und wir einigten uns schnell. Als ich anschließend nach Deutschland zurückfliegen wollte, um meine Sachen zu holen, sagte der Präsident: „Nix da, du bleibst hier, wir haben morgen ein Spiel.“ Ich kannte die Mannschaft überhaupt nicht, habe mich nur mit dem Co-Trainer beraten, wer überhaupt auf welcher Position spielt. Wir haben dann zweimal trainiert und hatten ein Spiel in Kuwait. Leider aber haben wir 0:2 verloren, sonst wäre die Geschichte natürlich noch schöner.

Herr Schäfer, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg in Al Ain.