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AUSGABE Nr. 11 Juli - August 2008

Ratgeber Steuerrecht
Wegfalls des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und den VAE zum Jahresende 2008

Von: Dominik F. Weiss, Rechtsanwalt & Legal Consultant, Dubai

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben sich für viele tausend ausländische Unternehmen, darunter auch viele deutsche Investoren, zu einem interessanten Absatz- und Produktionsstandort entwickelt. Als besonderer Investitionsanreiz wurde bislang das Doppelbesteuerungsabkommen gesehen, das deutschen Unternehmen zahlreiche Steuervergünstigungen bescherte. Nachdem die deutsche Finanzverwaltung im Jahre 2006 überraschenderweise beschlossen hatte, dieses Abkommen nur um 2 Jahre bis August 2008 zu verlängern, warten alle Betroffenen nun mit Spannung auf die weitere Entwicklung.

Aktuelle Situation

Das DBA zwischen Deutschland und den VAE aus dem Jahre 1996 tritt zum 10.8.2008 offiziell außer Kraft. Die Finanzverwaltungen Deutschlands und der Emirate bemühen sich seit fast zwei Jahren, eine abkommensrechtliche Neuregelung zu finden – bislang nach Aussagen der Ministerien ohne konkreten Erfolg. Für Unternehmer und Investoren, die bereits wirtschaftlichen Aktivitäten in der Region nachgehen oder diese in naher Zukunft beginnen möchten, steht nun die Frage im Mittelpunkt, wie sich die abkommensrechtliche Situation in den nächsten Jahren entwickeln wird.

Zwei realistische Szenarien sind dabei zu unterscheiden:

1. Alternative: Wegfall des DBA – kein neues Abkommen

Ein konkreter Zeitrahmen bis zum Abschluss eines neuen Abkommens ist noch nicht absehbar. Auch ein komplettes Scheitern der Verhandlungen kann nicht ausgeschlossen werden. Zu beachten ist hierbei, dass sich die Finanzverwaltung der Emirate u. a. aktuell in zahlreichen Verhandlungen mit ausländischen Vertretern hinsichtlich des Abschlusses von Freihandels- und Doppelbesteuerungsabkommen (u.a. mit den USA und Australien) befindet. Mit einem kurzfristigen Verhandlungsergebnis für ein neues DBA mit Deutschland ist daher nicht zu rechnen.

Aufgrund der bislang weitgehenden Steuerfreiheit in den VAE ist davon auszugehen, dass sich die deutschen Verhandlungsführer für diverse Änderungen des Abkommens, insbesondere im Hinblick auf die Kappung oder Abschaffung zahlreicher Steuervorteile einsetzen werden.

Trotz des grundsätzlichen Auslaufens des Abkommens im August 2008 gelten die DBA-Regelungen für den gesamten Veranlagungszeitraum 2008 (also bis 31.12.). Anschließend wird es – sofern nicht noch eine kurzfristige Einigung zustande kommt – im bilateralen Verhältnis beider Staaten zunächst keine abkommensrechtliche Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen mehr geben. Die Besteuerung von Einkünften aus Aktivitäten in den VAE richtet sich dann zukünftig allein nach nationalem deutschem Steuerrecht.

Im Folgenden sollen nun einige als wesentlich angesehene Konsequenzen beschrieben werden. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine konkrete steuerrechtliche Beurteilung nur anhand des Einzelfalls geschehen kann:

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die aus einer in den Emiraten gelegenen Immobilie resultieren, sind nach dem Wegfall des DBA in Deutschland beim Eigentümer/Vermieter voll steuerpflichtig. Bisher hatte allein der Belegenheitsstaat (hier: die VAE) ein Besteuerungsrecht (Art. 6 DBA-VAE). Der Wohnsitzstaat des Immobilieneigentümers (hier: Deutschland) berücksichtigte die Einkünfte allein im Rahmen des Progressionsvorbehalts. Ähnlich ist auch die Situation bei den zahlreichen Immobilienfonds zu sehen, die in Deutschland beim Beteiligten zu gewerblichen Einkünften führen. Der Wegfall des DBA führt auch hier zur Steuerpflichtigkeit in Deutschland auf Ebene des Fonds, sofern dieser im Inland seinen Sitz hat.

Mitarbeiter (Arbeitnehmer), die in Deutschland über einen Wohnsitz verfügen, gleichzeitig vorübergehend in den Emiraten tätig sind (Doppelwohnsitz), konnten bislang von der Regelung des Art. 15 DBA-VAE (sog. 183-Tage-Regel) profitieren. Bei Wegfall des DBA sind die Mitarbeiter mit ihren Arbeitseinkünften in Deutschland voll steuerpflichtig (Welteinkommensprinzip).

Kaum Änderungen ergeben sich für Unternehmen, die in den Emiraten über eine Tochtergesellschaft, etwa in Form einer Limited Liability Company (vergleichbar einer deutschen GmbH) verfügen. Wie bisher bleibt es auf der Ebene der emiratischen Kapitalgesellschaft (steuerliche Betriebsstätte) bei der grundsätzlichen Steuerfreiheit. Auf die Gewinne dieser eigenständigen juristischen Person hat der deutsche Fiskus erst dann einen Besteuerungszugriff, sobald Dividenden nach Deutschland an natürliche Personen ausgeschüttet werden (Halbeinkünfteverfahren). Bei der Ausschüttung an inländische juristische Personen bleibt es dabei, dass 5 % der Dividende körperschaftsteuerlich als nichtabziehbare Betriebsausgaben betrachtet werden.

Steuerliche Mehrbelastungen ergeben sich allerdings ohne DBA für deutsche Unternehmen mit unselbständigen Zweigniederlassungen (sog. Branches) in den VAE. Die Einkünfte der Branch werden zukünftig nach Wegfall des Art. 7 DBA-VAE in vollem Umfang bei der deutschen Gesellschaft steuerpflichtig sein. Die Möglichkeit der Steueranrechnung nach § 34 EStG läuft in allen o. g. Fällen ins Leere, da bekanntlich in den Emiraten – mit Ausnahme von Unternehmen, die im Bereich der Förderung und Verarbeitung von Öl, Gas und petrochemischen Produkten tätig sind, sowie Banken – weder Einkommen- noch Körperschaftsteuern erhoben werden.

2. Alternative: Neues Abkommen wird in 2009 (oder später) verabschiedet – rückwirkende Inkraftsetzung zum 1. Januar 2009

Wahrscheinlicher als ein kompletter Wegfall des DBA, ist die Einigung auf einen Kompromiss auf dem Verhandlungswege. Konkrete Inhalte eines entsprechenden zukünftigen Abkommens sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Wahrscheinlich sind jedoch Einschränkungen bei den bislang steuerfreien Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von in den Emiraten belegenen Immobilien, sowie möglicherweise bei einzelnen bisher ebenfalls steuerfreien gewerblichen Einkünften (Immobilienfonds etc.).

Da es sich bei DBA um zweiseitige Vereinbarungen handelt, bleibt abzuwarten, inwieweit die emiratische Seite den Korrekturwünschen der deutschen Finanzverwaltung auf dem Verhandlungswege zustimmen wird. In jedem Fall dürften die Verhandlungen noch länger andauern.

Es ist daher davon auszugehen, dass ein neues Abkommen nicht zum 1. Januar 2009 endverhandelt, ratifiziert und in Kraft getreten sein wird. Es besteht aber die Möglichkeit für die beiden Verhandlungsparteien, ein im Laufe des Jahres 2009 oder 2010 beschlossenes Abkommen rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft zu setzen. Dies entspräche gängiger Praxis. So wird sichergestellt, dass es letztlich keinen Zeitraum ohne abkommensrechtliche Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geben dürfte.

Fazit

Nach Aussage des deutschen Bundesfinanzministeriums werden aktuell alle 143 Doppelbesteuerungsabkommen, die Deutschland mit anderen Ländern im Bereich der Einkommens-, Körperschafts- und Erbschaftssteuern geschlossen hat, mit dem Ziel überprüft, möglichst alle Verträge, die dem deutschen Fiskus Nachteile bringen, in absehbarer Zeit neu zu verhandeln. Das DBA mit den Vereinigten Arabischen Emiraten hat somit gewissermaßen Vorbildcharakter für zukünftige bilaterale Abkommen.

Unternehmen und Privatpersonen, die bereits in den Emiraten tätig sind oder dies in den nächsten Jahren beabsichtigen, sollten die neue Rechtlage ab 1. Januar 2009 und die sich daraus ergebenden Konsequenzen individuell prüfen, sowie die weitere Entwicklung verfolgen, um frühzeitig Informationen über ein sich abzeichnendes neues Abkommen zu erhalten.

Unabhängig vom deutsch-emiratischen Abkommensstand bestehen mögliche Gestaltungsalternativen im Einzelfall durch Einbeziehung der DBA, die in den letzten Jahren zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und den deutschen Nachbarstaaten Österreich und Luxemburg geschlossen wurden.