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AUSGABE Nr. 11 Juli - August 2008

Deutsche Architekten in den Golfstaaten
Von deutscher Baukunst in der Wüste

Johann Wolfgang von Goethe hat es schon immer gewusst: Bereits 1773 wies der große Dichter auf die Fertigkeiten deutscher Architekten hin. In seinem Aufsatz „Von deutscher Baukunst“ stellte der große Dichter die Einzigartigkeit der Formen, der Schönheit und des Genies der deutschen Bauherren heraus: „Das ist deutsche Baukunst, unsere Baukunst.“ Heute, 235 Jahre später, wird diese auch mehr und mehr auf der Arabischen Halbinsel geschätzt. Zahlreiche deutsche Architekten bereichern die Baulandschaft in den Golfstaaten mit ihren Entwürfen und Projekten, Tendenz steigend. „Made in Germany" ist hier nicht nur bei Autos und Arbeitskräften gefragt, sondern auch bei Wolkenkratzern und Luxushotels. Und der Bedarf an neuen Gebäuden ist groß: Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind neben China das Land mit der größten und schnellsten Entwicklung im Bausektor. Ein Großteil der weltweit verfügbaren Baukräne steht in Dubai und Abu Dhabi. Das Motto in den Golfstaaten lautet: höher bauen, schneller bauen, spektakulärer bauen. Bescheidenheit bei Finanzierung und Design ist fehl am Platz, es scheint, als wären hier alle Entwürfe realisierbar. Für Architekten ist vor allem Dubai „ein zu Beton gewordenes Märchen aus 1001 Nacht“, wie Gesa Schöneberg es formuliert. Schöneberg ist Autorin des Buches „Contemporary Architecture in Arabia – Deutsche Projekte auf der Arabischen Halbinsel" und stellt in ihrem Werk 50 Bauprojekte von deutschen Architekten auf der Arabischen Halbinsel vor. Diese Liste ist aber nur ein Zwischenbericht, der Markt wächst weiter. Bis 2010 soll sich die Einwohnerzahl der VAE verdoppeln, die Schaffung von neuem Wohnraum und ein Ausbau der Infrastruktur stehen an. Es gibt unzählige Aufträge, die auch für deutsche Architekten interessant sind.

DiscoverME sprach mit Cornelia Kieferle-Nicklas, Geschäftsführerin von Kieferle & Partner Niederlassung Dubai, über Chancen und Risiken für deutsche Architekten in Dubai.

Seit wann sind Sie in Dubai aktiv?
Ich kam im Jahr 2004 das erste Mal im Rahmen einer deutschen Wirtschaftsdelegation nach Dubai und spürte sofort das mitreißende Tempo dieser Stadt. Seit 2005 lebe ich nun überwiegend in Dubai, und im letzten Jahr wurde hier unsere Niederlassung des Stuttgarter Architekturbüros eröffnet. In unserem Dubai-Büro arbeiten derzeit zehn  Mitarbeiter.

Weshalb haben Sie sich für Dubai als Standort entschieden?
Ehrlich gesagt hat uns die wirtschaftliche Situation in Deutschland dazu gezwungen, neue Märkte zu erschließen. Hier in Dubai herrscht eine gewaltige Aufbruchstimmung, und die gute Auftragslage hat uns Recht gegeben. Da ich in den 80er-Jahren bereits in Saudi-Arabien gearbeitet habe, konnte ich die Erfahrungen im Umgang mit der arabischen Mentalität nutzen, um den Einstieg in den hiesigen Markt optimal vorzubereiten.

An welchen Projekten arbeiten Sie hier?
Unser derzeit größtes Projekt heißt „Jewel of the Creek“, an dem wir zusammen mit unserem Joint Venture-Partner Kling Consult arbeiten. Auf einer Fläche von über 100.000 m² werden zwei Hotels, Bürogebäude und Wohnanlagen am Ostufer des Dubai Creek entstehen. Die Fertigstellung des 3 Milliarden Dirham teuren Projekts ist für das Jahr 2011 geplant. Wir haben bereits die Niederlassung der Commerzbank im Dubai International Financial Center vollendet und stehen kurz vor dem Abschluss der Hauptverwaltung der Dubai Airport Free Zone Authority am Flughafen, für die wir nun in einem weiteren Auftrag eine große Entwicklung mit Bürobauten, Hotel und einem Business Club planen. Ein weiteres Prestigeobjekt ist das deutsche Universitätskrankenhaus mit Technologiepark „CEDARS International“, das in der Nähe des neuen Flughafens in Jebel Ali entstehen wird und mit der Universität Tübingen und dem Klinikum Stuttgart zusammenarbeitet.

Was ist das Besondere an Dubai? Wo sehen Sie Chancen und Risiken für deutsche Architekten?
In Dubai erhält jeder eine Chance, und die sollte man nutzen. Eine zweite Chance gibt es selten. Für uns Architekten ist Dubai ein extrem großer Markt, der mit Offenheit und großartigen Visionen glänzt. Die Stadt hat sich in den letzten Jahren als Drehkreuz zwischen Ost und West etabliert und bietet einen geregelten Markt mit Gesetzen, die uns Sicherheit geben. So wurde es uns ermöglicht, eine eigene Firma zu gründen, die hohe Akzeptanz findet. Dies wäre in vielen Teilen der Welt nicht möglich gewesen. Das rasante Wachstum der Stadt sehe ich als Chance und Risiko gleichzeitig. Allerdings macht uns die Bindung der einheimischen Währung an den Dollar zu schaffen, da wir einen großen Teil der Planung in Deutschland leisten.

Wird diese Stadt jemals zur Ruhe kommen?
Ich glaube, dass Dubai irgendwann mit Abu Dhabi – baulich – zusammenwachsen wird. Eine Stadt ist nie fertig gebaut; sie verändert sich kontinuierlich. Meiner Meinung nach wird der große Bauboom noch drei bis vier Jahre anhalten, bis eine Konsolidierung des Marktes eintritt. Einen rasanten Absturz oder das gern prophezeite Platzen der Blase halte ich für unwahrscheinlich.

Hat das Architekturbüro Kieferle & Partner bereits neue Märkte im Blick?
In der Golfregion haben wir auf jeden Fall die emiratische Hauptstadt Abu Dhabi im Visier. Dort sehen wir ein großes Wachstumspotenzial. Außerdem ist Polen in Europa ein interessanter Markt für uns. Wir werden unsere Aktivitäten im Ausland parallel zu Deutschland weiterhin ausbauen.

Vielen Dank für das Gespräch!