Artikel:
AUSGABE Nr. 20 Januar - Februar 2010

Zur Debatte: Neue Energiepolitik in Abu Dhabi
Grünes Gewissen und nachhaltige Vorsätze

Bisher war nicht nur das Wirtschaftswachstum in den Golfstaaten rekordverdächtig, sondern auch die Umweltbelastung. Recycling und Ressourcenschutz spielten beim Aufbau der glitzernden Metropolen in Dubai, Katar und Abu Dhabi kaum eine Rolle. Doch mittlerweile erfolgt ein Umdenken und die Regierung von Abu Dhabi möchte eine Vorreiterposition betreffs umweltfreundlicher und nachhaltiger Technologien in der gesamten arabischen Welt einnehmen. Durch Megaprojekte wie „Masdar-City“ und die Ausrichtung des „World Future Energy Summit” wollen die Emirater der ganzen Welt zeigen, dass Lösungen für Ressourcenknappheit auch in der Wüste gefunden werden können.

World Future Energy Summit
Vom 18. bis 21. Januar 2010 dreht sich in Abu Dhabi alles um die Farbe Grün: Der „World Future Energy Summit“ (WFES) liefert eine Plattform für Umwelttechnologiefirmen, Forschungszentren und Hochschulen aus aller Welt, um  neue Wege und Techniken für eine umweltfreundlichere Zukunft vorzustellen. Im Rahmen der viertägigen Konferenz werden mehr als 3.000 Delegierte aus über 100 Ländern erwartet. 600 Aussteller haben ihre Teilnahme an der gleichzeitig stattfindenden Messe zugesagt. Zu den Themenschwerpunkten der Konferenz zählen nachhaltige Formen der Energieversorgung, der wachsende Energiebedarf in Entwicklungsländern und die Verteilung von Emissionen. Den Hauptanteil an den seit der Industrialisierung vom Menschen verursachten Treibhausgasen tragen bislang die Industrieländer. So wird allein ihr Anteil an der CO2-Anreicherung in der Atmosphäre auf zirka vier Fünftel geschätzt, wovon über 50 Prozent einzig auf das Konto der USA gehen. Dort wurden seit 1950 ungefähr 157 Milliarden Tonnen CO2 emittiert.  Zum Vergleich: China hat seit 1950 ungefähr 40 Milliarden Tonnen CO2 emittiert und ist damit für etwa die Hälfte der insgesamt von den Entwicklungsländern in diesem Zeitraum ausgestoßenen Emissionen verantwortlich.
Auch heute noch sind China und die USA die weltweit größten Emittenten von energiebedingten CO2-Emissionen. Hingegen hat Afrika niedrige Emissionen im Vergleich zu den USA und China zu verzeichnen. Ein nicht unbeachtlicher Teil der Treibhausgasemissionen der Entwicklungsländer ist direkt an den Verbrauch in den Industrieländern des Nordens gekoppelt, wie einige Beispiele verdeutlichen: Die Emissionen der erdölexportierenden Länder (OPEC) beispielsweise stammen vor allem aus der Rohölförderung. Zwei Drittel dieses Öls wird aber in den Industrieländern konsumiert. Ähnliches gilt für Gasförderung und -verbrauch. Auch das energieintensive Minengeschäft wird vor allem für Käufer in den Industrieländern betrieben: 80 Prozent aller Rohstoffe werden dort verbraucht. Ein weiteres Beispiel ist der Ferntourismus der Nordamerikaner, Europäer und Japaner, der sich in den Treibhausgasbilanzen von Entwicklungsländern widerspiegelt. Über den  absoluten Anstieg der CO2-Emissionen und die Verteilung der CO2-Emissionen auf die jeweiligen Länder hinaus lohnt sich auch ein Blick auf den Beitrag der einzelnen Bürger zur Erwärmung der Erde. So sind die Emissionen in Indien zwischen 1990 und 2000 zwar sehr deutlich um zirka 63 Prozent angestiegen, pro Kopf erzeugt ein Inder aber nur ein Zehntel der Treibhausgase eines durchschnittlichen Deutschen und ein Zwanzigstel des durchschnittlichen Amerikaners. Die anhaltende Debatte um die gerechte Verteilung von Emissionswerten wird u.a. während des am 18. Januar stattfindenden Plenarforums „World Future Energy Policy” am runden Tisch der Energieminister diskutiert. Auch von deutscher Seite haben sich hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Forschung angekündigt. Eicke Weber, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) wird am zweiten Konferenztag einen Workshop zum Thema „Advanced Solar Technologies, Materials and Costs” leiten.
Abu Dhabi wird mit der Ausrichtung des WFES in diesem Jahr besonders viel internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, da die emiratische Hauptstadt Ende Juni letzten Jahres den Zuschlag für den Sitz der Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) erhalten hat.

Zayed Future Energy Prize
Im vergangenen Jahr wurde erstmalig auch der „Zayed Future Energy Prize“ verliehen. Der Hauptpreis ging 2009 an Dipal Chandra Barua, Gründer und Geschäftsführer von „Grameen Shakti“ (GS), für seinen langjährigen Einsatz, der Landbevölkerung von Bangladesch erneuerbare Energielösungen zugänglich zu machen. Die Firma GS hat bisher mehr als 200.000 Solarzellenanlagen aufgestellt, die aktuell mehr als zwei Millionen Menschen mit Strom versorgen. Außerdem hat GS in Bangladesch mehr als 6.000 Biogasanlagen installiert und eine Technologie eingeführt, welche Tierabfälle von Kühen und Geflügel in Gas umwandelt, welches z. B. zum Kochen und zur Beleuchtung genutzt werden kann. Der mit 1,5 Millionen US-Dollar dotierte „Zayed Future Energy Prize“ soll in diesem Jahr am 19. Januar überreicht werden. Bewerben konnten sich Unternehmen, Einzelpersonen und Organisationen weltweit. Die hochkarätig besetzte Jury urteilt unter anderem nach Kriterien wie Innovationsgehalt und Umsetzbarkeit.

Internationale Organisation für Erneuerbare Energien
Die Internationale Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA) ist nach Abu Dhabi gezogen. Die Agentur soll in Masdar City angesiedelt werden, einer als CO2-frei geplanten Öko-Vorzeigesiedlung am Rande von Abu Dhabi. Die Entscheidung fällten Delegierte aus rund 130 Ländern am 29. Juni 2009 im ägyptischen Badeort Sharm El Sheikh. Abu Dhabi plant nun eine neue Energiepolitik.
Die Agentur wurde am 26. Januar 2009 in Bonn gegründet. Vorher legten 51 Staaten auf einer Konferenz in Madrid den Grundstein für IRENA und verständigten sich auf den Text des Gründungsvertrages. Damit war der von Deutschland, Spanien und Dänemark angeregten und von zahlreichen Ländern aller Kontinente begleiteten Initiative der Durchbruch gelungen. Ziel der neuen Agentur ist es, weltweit die Lücke zwischen dem enormen Potenzial der erneuerbaren Energien und deren noch relativ geringem Marktanteil am Energieverbrauch zu schließen. Schwerpunkt der Arbeit wird dabei die Beratung ihrer Mitgliedsstaaten sein, um die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, Kompetenzen aufzubauen sowie die Finanzierung und den Technologie- und Wissenstransfer für erneuerbare Energien zu verbessern. Die Agentur soll weltweit den Ausbau erneuerbarer Energien wie Solar- und Windenergie oder Biomasse vorantreiben und vor allem die Regierungen dabei beraten, wie sie die Möglichkeiten der erneuerbaren Energien optimal nutzen können. Die Hilfe reicht dabei von der Lösung technischer Fragen bis zur möglichen Finanzierung von Projekten. Insbesondere Entwicklungsländer sollen unterstützt werden. Mittlerweile haben 137 Staaten das Gründungsabkommen unterzeichnet - auch die USA sind mit dabei.

Masdar-City
Die von dem britischen Stararchitekten Lord Norman Foster geplante grüne Stadt in der Wüste wirbt mit den Schlagworten: kein Kohlendioxid, keine Autos, weniger Abfall, weniger Wasser. Das 22 Milliarden US-Dollar teure Projekt Masdar-City ist eine Initiative der „Abu Dhabi Future Energy Company“ (ADFEC) unter der Schirmherrschaft von Seiner Hoheit Scheich Mohammed Bin Zayed Al Nahyan. Im Februar 2008 wurde mit dem Bau der Ökostadt 30 Kilometer östlich von Abu Dhabi, in der Nähe des Flughafens, begonnen. Bis zum Jahr 2015 sollen auf einer Fläche von sechs Quadratkilometern 50.000 Menschen leben und 1.500 Firmen und Institute aus dem Umweltbereich angesiedelt werden. Dafür wurde im Jahr 2007 erstmalig in Abu Dhabi eine Sonderwirtschaftszone eingerichtet und Masdar zur Freihandelszone deklariert. Vier Milliarden US-Dollar wird die Regierung von Abu Dhabi selbst zum Projekt beisteuern, die restlichen 18 Milliarden sollen durch den Handel mit Emissionszertifikaten und Direktinvestitionen aufgebracht werden. Masdar wirbt mit einem CO2-emissionslosen und abfallfreien Konzept. Dadurch soll auch der in den VAE extrem hohe Energie- und Ressourcenverbrauch um 75 Prozent verringert werden. Das „Masdar Institute of Science and Technology“ soll in Zusammenarbeit mit dem „Massachusetts Institute of Technology“ die Umweltingenieure der Zukunft ausbilden. Masdar, was so viel wie „Quelle, Ursprung“ auf Arabisch bedeutet, soll sich zu einer kräftig sprudelnden Quelle von neuen Ideen in den Bereichen Architektur, Energie und Nachhaltigkeit entwickeln.

Masdar produziert in Deutschland
Das Richtfest für das 1 MWp-Freiflächensolarkraftwerk in Erfurt Ende Oktober 2009 stellte einen neuen Meilenstein für „Masdar PV“ dar: Erst seit kurzem läuft die Produktion am Standort Ichtershausen auf Hochtouren und nun werden die innovativen Dünnschicht-Solarmodule für den Bau des ersten Solarkraftwerks installiert. Bei diesem Projekt der Firma „Beton Fertigteilbau Erfurt“ (BFE), dem künftigen Betreiber des Kraftwerks, bilden die Solarmodule von Masdar das Herzstück der Anlage. Als Systemintegrator fungiert die in München ansässige „Deutsche Solar Werke GmbH“ (DSW), die für die Umsetzung des Projekts und die anschließende Wartung der Anlage verantwortlich ist.
Installiert wird die Solaranlage auf dem firmeneigenen Gelände der BFE. Insgesamt werden bis zum Netzanschluss in wenigen Wochen auf einer Fläche von rund vier Hektar etwa 10.000 Dünnschicht-Solarmodule montiert. Der Betonfertigteilbauspezialist BFE nimmt durch den Bau dieses ersten Solarkraftwerks eine Vorreiterrolle im Freistaat Thüringen ein. BFE-Geschäftsführer Michael Wißler erläutert: „Wir sind stolz darauf, diese Anlage gemeinsam mit unserem regionalen Partner Masdar PV errichten zu können. Neben der lokalen Verbundenheit waren insbesondere die finanzielle Stärke von Masdar und die damit einhergehende, langjährige Verlässlichkeit des Zulieferers von entscheidender Bedeutung für uns. Gepaart mit dem Qualitätssiegel ‚Made in Germany‘ und der führenden Technologie von Masdar PV haben wir den perfekten Partner für dieses Projekt gewonnen.“ Als Zulieferer übernimmt Masdar PV eine 20-jährige Garantie für die hohe Qualität der produzierten Solarmodule. Dies unterstreicht den Anspruch der Gesellschaft, als langfristiger und zuverlässiger Partner am Markt wahrgenommen zu werden.
Die Masdar PV GmbH ist mit ihrer Tandem-Junction-Technologie ein führender globaler Hersteller innovativer Produkte und Lösungen im Bereich der Dünnschicht-Photovoltaik. Mittelfristiges Ziel der Gesellschaft ist der Aufstieg zu einem der drei größten Produzenten im Bereich Dünnschicht-Photovoltaik. Dazu werden in einem ersten Schritt Fertigungsanlagen mit einer Kapazität von insgesamt 195 MWp in Deutschland und Abu Dhabi in Betrieb genommen. Die Gesellschaft ist eine hundertprozentige Tochter von Masdar, Abu Dhabis facettenreicher Initiative für Zukunftsenergie, die  von der „Mubadala Development Company“ initiiert wurde und sich in deren Besitz befindet.