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AUSGABE Nr. 21 März - April 2010

Die Vereinigten Arabischen Emirate im Überblick
Teil 4: Sharjah

Die Kulturhauptstadt der arabischen Welt

LAND & LEUTE

Das Emirat Sharjah ist mit einer Fläche von 2.600 Quadratkilometern und etwa 670.000 Einwohnern das flächenmäßig drittgrößte Föderationsmitglied der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Auf dem Rondell eines Kreisverkehrs thront eine riesige arabische Kaffeekanne, so heißt man in Sharjah seine Gäste willkommen. Denn die Kaffeekanne, aus welcher der traditionelle, saure Begrüßungskaffee serviert wird, gilt als Symbol für Gastfreundschaft. Eine geografische Besonderheit ist, dass Sharjah als einziges Emirat sowohl an der Golf- als auch an der Ostküsteüber Landesfläche verfügt. Es besteht aus fünf Territorialstaaten, von denen das bei weitem größte mit der gleichnamigen Hauptstadt am Arabischen Golf liegt. Die drei weiteren, etwa gleich großen Distrikte Dibba Al Hisn, Khor Fakkan und Kalba liegen an der Ostküste am Golf von Oman. Zum Emirat gehören auch die zwei Inseln Sir Abu Nu’air und Abu Mousa im Arabischen Golf, die zirka 60 Kilometer vor der Küste liegen. Entlang der Ostküste schlängelt sich das majestätische Al Hajar-Gebirge, welches stellenweise 1000 Meter hoch ist und von einem ausgetrockneten Flussbett durchkreuzt wird. Wundervolle Strände und das blaue Wasser des Golfs von Oman bieten einzigartige Gelegenheiten zum Schwimmen, Tauchen und Fischen. Sharjah verfügt auβerdem über einige Oasengebiete, deren bekanntestes das 10.000 Hektar große und 50 Kilometer südöstlich von Sharjah-Stadt entfernte Al Dhaid ist, wo eine Vielzahl an Früchten und Gemüse angebaut wird.

NATUR & KLIMA

Das Interesse an der Erhaltung der Umwelt erhöhte sich parallel zum raschen städtebaulichen Wachstum. Es wurden grüne Parks erschaffen, die das Stadtbild verschönern. Insgesamt verfügt Sharjah von allen Emiraten über die größte Vielfalt an Natur, angefangen von der atemberaubenden Schönheit und Einsamkeit der Wüste bis hin zu den majestätischen Hajar-Bergen. Das Emirat besitzt zudem Naturschutzgebiete und ökologisch wichtige Mangrovenwälder, traumhafte Strände, grüne Oasen, überwältigende Küsten und eine unglaubliche Unterwasserwelt mit tropischen Korallenriffen. Der spektakulärste Naturpark der gesamten Golfregion befindet sich 35 Kilometer von Sharjah-Stadt entfernt. Der „Desert Park“ gliedert sich in drei Hauptbereiche: „Natural History Museum“, „Arabia’s Wildlife Centre“ und „Children’s Farm“. Die Aufgabe des Wildlife-Parks ist die Erhaltung und die Züchtung der vom Aussterben bedrohten einheimischen Tierarten. Die Besucher können unter anderem Wüstenbewohner wie Leoparden, Geparden, Hyänen, Wölfe oder Paviane beobachten, die sich in den Freigehegen bewegen. Zäune sind in diesem Park nicht zu sehen.
Sharjahs Klima ist von November bis April mit warmen sonnigen Tagen, kühlen Abenden und einer geringen Luftfeuchtigkeit sehr angenehm und deshalb ideal zum Reisen. Von Dezember bis März kann es auch zu heftigen Regenfällen kommen. Sehr heiß wird es dann zwischen Mai und September, wobei die Temperaturen im Juli und August die 45 Grad-Grenze erreichen können. In den Gebieten an der Ostküste ist das Klima aufgrund gelegentlicher Brisen weniger extrem.

GESCHICHTE

Sharjah (arabisch „Al Shâriqua“) bedeutet „Osten“ und im übertragenden Sinne „aufgehende Sonne“. Das Emirat besitzt eine lange Tradition, denn das Gebiet war bereits vor 6.000 Jahren besiedelt. Zu diesem Zeitpunkt war das Land ein Mangrovensumpf und die Bewohner führten ein einfaches und hartes Leben. Die Portugiesen beherrschten die Region ab (etwa) 1507 und hinterließen einige Festungen an der Ostküste in Khor Fakkan, Kalba und Dibba Al Hisn. Etwa ein Jahrhundert später wurde die portugiesische Besatzungsmacht von den Niederländern vertrieben, welche die Kontrolle des Gewürzhandels übernehmen wollten. Ab dem 17. Jahrhundert gab es rege Handelsbeziehungen mit den Briten und dem Stamm der „Al Qasimi“ – den Vorfahren der heutigen Herrscherfamilie. Als der Handel mit dem Osten begann und der Qasimi-Stamm im 19. Jahrhundert immer mächtiger wurde, etablierte sich die Region mit den Häfen in Ras Al Khaimah und Sharjah zur führenden Seemacht. Die Briten mussten die maritime Macht anerkennen, da sie sich das Rote Meer und den Arabischen Golf als Handelsroute zwischen dem Mittelmeer und Indien sichern wollten. Allerdings wurden die Beziehungen 1809 getrübt, als die Briten eine Landoffensive gegen den Stamm der Al Qasimi starteten. 1820 wurde ein Nichtangriffspakt für die Dauer von 150 Jahren verabschiedet und kurz nach Ablauf des Pakts trat das Emirat Sharjah 1971 den VAE bei. Ein Jahr später wurde Seine Hoheit, Dr. Scheich Sultan Bin Mohammad Al Qasimi, Regent von Sharjah. Durch die in den 1970er Jahren entdeckten Öl- und Gasvorkommen und die Voraussicht der Herrscher kann das Emirat bis heute Wachstum und Wohlstand genießen, während es sich gleichzeitig den Charme und die Werte einer islamisch geprägten Kultur bewahrt.

SHARJAH STADT

Die Stadt Sharjah wurde 1490 erstmals schriftlich erwähnt und zwar in den Büchern Ahmed bin Majids.  Dieser schrieb, man könne die Stadt finden, wenn man den Sternen über der Insel Tunb, die 50 Kilometer vom Iran entfernt liegt, folge. Obwohl Sharjah als erste Stadt der Emirate einen internationalen Flughafen baute, steht sie nicht in dem Maß im Rampenlicht wie Abu Dhabi und Dubai.
Das Emirat ist unter der Regentschaft von Seiner Hoheit Dr. Scheich Sultan Bin Mohammed Al Qasimi konsequent seinen eigenen Weg gegangen. Er wollte nie mit Dubai konkurrieren, sondern bevorzugte eine langsame Entwicklung und wird von vielen anerkennend als „der Gelehrte“ bezeichnet. Während in Dubai Hotels, Bürotürme und Einkauszentren aus dem Boden schossen, ließ er drei Universitäten, eine Bibliothek und neun Kulturzentren für Frauen einrichten. Da er sich sehr für Kunst interessiert und schon die verschiedensten Ausstellungen in aller Welt besucht hat, wurden in Sharjah Museen errichtet und Ausstellungen wie die „Sharjah Biennale“ organisiert. Auβerdem stiftet er einen Künstlerförderpreis und lädt regelmäβig Kulturschaffende aus aller Welt ein. Somit lässt sich in Sharjah viel auf kulturellem Gebiet entdecken.
Sharjah liegt wie Dubai an einem Meeresarm, dem Creek, der aber nicht in einem flachen Delta versandet, sondern sich zu einer weiteren Bucht, der Khaled-Lagune, weitet. Man fährt am besten über die Al Arouba Street nach Sharjah hinein. Sie führt über die Lagune, in deren Mitte sich eine Insel befindet. Dort findet man den „Jazeira Park“, mit kleinen mobilen Geschäften und Karussells ein beliebtes Ausflugsziel für Familien. Gleich hinter der Brücke liegt der Fischmarkt, auf dem stets frische Ware vorhanden ist. In der Nähe befindet sich, in einem schlicht-schönen Gebäude, der Obst- und Gemüsemarkt. Wenn man entlang der Straße dem Ufer des Creeks folgt, gelangt man auf dem Weg zur Altstadt zum Pflanzenmarkt. Nur wenige Meter entfernt befindet sich an der Ecke der Corniche Road und Al Mina Road der Tier- und Vogelmarkt, wo betuchte Emirater gern junge Falken aus Persien erwerben. Am Nachmittag lohnt sich ein Spaziergang entlang der Corniche, wo die alten Dhows festmachen und ihre Ladung löschen.
Mit viel Aufwand wurden Teile der Altstadt restauriert und so erstrahlen viele historische Gebäude im neuen Glanz, bekannt als „Sharjah Heritage Area & Arts Area“. Diese liegt im Herzen der Altstadt Sharjahs, zwischen der Corniche Road und dem Al Qasaba Square. Hier befinden sich zahlreiche Museen auf engstem Raum beieinander. Enge Gassen, Galerien, Künstlerateliers, Kunstmuseen und –einrichtungen sind in historischen Gebäuden untergebracht und kennzeichnen die „Arts Area“ von Sharjah, keine fünf Minuten zu Fuß von der „Heritage Area“ entfernt. Das Künstlerviertel umfasst fünf architektonisch renommierte historische Gebäude aus dem 19. Jahrhundert sowie ein modernes Museum mit 40 Räumen mit Arbeiten ab dem 18. Jahrhundert. Im Haus „Obaid Al-Shamsi“ können Besucher Künstlern bei der Arbeit zuschauen. Nach einem Spaziergang durch das malerische Viertel bietet das „Arts Café“ Imbiss und Getränke in künstlerisch inspirierter Atmosphäre an.

KULTUR & BILDUNG

Sharjah wird als Vorzeige-Emirat für Kultur bezeichnet und wirbt mit dem Motto „Entdecken Sie Arabische Kunst und Kultur“. Neben der Öffnung für den Tourismus haben die Kunst und der Erhalt der Jahrtausende alten Kultur stets einen hohen Stellenwert in dem Emirat. 1998 ernannte die UNESCO Sharjah zur „kulturellen Hauptstadt der arabischen Welt“ - aufgrund seines Engagements und für seine Bemühungen um die Kunst und zum Schutz seines kulturellen Erbes. Zahlreiche bekannte Maler, Künstler und Poeten haben sich in Sharjah angesiedelt und der UNESCO-Titel verpflichtet, den guten Ruf zu erhalten und zu pflegen. Das Emirat besitzt mehr als 20 Museen und an die hundert Kunstgalerien mit bis zu einer halben Million Besuchern jährlich. Viele dieser Museen sind einzigartig in der Region und machen Sharjah zu einem ganz besonderen Reiseziel. Von traditioneller bis zur modernen Kunst ist in den Dauer- oder temporären Ausstellungen alles zu finden. Mohammed Al Noman, Direktor des  Amtes für Wirtschaft und Tourismusentwicklung (SCTDA) in Sharjah, sagt begeistert: „Es sind gerade diese kulturellen Einrichtungen, die uns besonders auszeichnen. Wir möchten, dass die Menschen in unser Land kommen und sich von der unvergleichlichen Kultur überzeugen, sowie von unseren malerischen Stränden, den ruhigen Wüsten und den sanften Hügeln.“ Da auch Deutschland als größter Touristikmarkt gilt, besuchen Vertreter des Emirats in jedem Jahr die Internationale Tourismusbörse (ITB) in Berlin. Für die SCTDA ist es ein vorrangiges Ziel, dass Sharjah einen Platz in der Reihe der bevorzugten Tourismusgebiete erhält.
Mit der Gründung von zwei Universitäten hat sich Sharjah  als bedeutender Bildungsstandort in der Golfregion etabliert: In der Nähe des Flughafens befindet sich der Campus der „American University of Sharjah“ (AUS) und südlich davon die 1997 gegründete „University of Sharjah“ (UOS). Beide Universitäten sind nach amerikanischem System strukturiert und verfügen jeweils über mehrere Colleges und Institute für Bachelor- und/oder Masterabschlüsse. Alle Gebäude und Einrichtungen sind im traditionellen, arabischen Stil gebaut worden und dabei mit modernster Technik ausgestattet. Gemäß dem riesigen Bedarf an Akademikern in der Region steht die Lehre im Vordergrund. Langfristig wird auch der Ausbau der Forschung angestrebt. In beiden Universitäten liegt der Frauenanteil der Studierenden bereits bei über 50 Prozent. Bereits im Jahr 1977 wurde die „Deutsche Schule Sharjah“ (DSS) gegründet, welche heute über 200 deutschen und emiratischen Schülern eine qualifizierte Schulbildung nach deutschem System bietet. Die DDS ist eine anerkannte deutsche Auslandsschule und hat somit die Berechtigung zur Vergabe von offiziellen Zeugnissen wie öffentliche Schulen in der Bundesrepublik Deutschland.

WIRTSCHAFT

Wie es an der Golfküste bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts üblich  war , lebte die Bevölkerung lange Zeit von Fischerei, Landwirtschaft, Jagd und Seehandel, wobei die Perlenfischerei eine besondere Bedeutung inne hatte. In den vergangenen 50 Jahren durchlief das Emirat jedoch eine beispiellose wirtschaftliche Entwicklung. Sharjah leistete im Bereich Tourismus und Fremdenverkehr Pionierarbeit. Bereits Ende der 1970er Jahre wagte Sharjah als erstes Emirat den Vorstoß, sich dem Tourismus aus westlichen Ländern zu öffnen. Heute vereinigt es harmonisch eine moderne Infrastruktur mit traditionellen Werten des Islam und ist somit eine Destination mit einer einzigartigen kulturellen Vielfalt und äußerst reizvollen Kontrasten, die mit Nationalstolz präsentiert werden. Der internationale Flughafen wurde 1932 erbaut und Sharjah begrüβte erste Touristen aus der westlichen Welt. Der Emir genehmigte den Bau mehrerer Strandhotels zur Förderung der Touristikindustrie und der internationale Fremdenverkehr sorgte für beträchtliche Deviseneinnahmen. Das Emirat war auf die Tourismuseinnahmen angewiesen, denn die Erdölfördermengen waren mit 60.000 Barrel pro Tag wesentlich geringer als die der Nachbaremirate Abu Dhabi und Dubai. Ergiebiger waren jedoch die Erdgasvorräte, die in den 1980erJahren in der Nähe des Flughafens entdeckt wurden. Seitdem fördert das Emirat die Erdgasindustrie und damit auch die Exporteinnahmen. Als es trotzdem im Jahr 1980 zu finanziellen Engpässen kam, half das Königshaus aus Saudi-Arabien dem Emirat, einschließlich einer Moschee als Geschenk. Daraufhin fühlte man sich in Sharjah moralisch verpflichtet, der saudischen Auffassung zum Umgang mit „Hochprozentigem“ nachzukommen, woraufhin dessen Ausschank ab 1985 verboten wurde. Die erste Billigfluggesellschaft des Nahen Ostens wurde auch  in Sharjah gegründet, im Jahr 2003. So ist die Heimatbasis der halbstaatlichen „Air Arabia“ der Flughafen Sharjah, von wo aus fast 60 Destinationen im Nahen Osten, Asien, Nordafrika und Europa angeflogen werden.
Neben dem Tourismus stellt auch die Landwirtschaft einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor dar. Jährlich produziert das Emirat über 100.000 Tonnen an Obst und Gemüse. Etwa 4.000 Farmen arbeiten zum Beispiel rund um die Al Dhaid-Oase und es ist nicht verwunderlich, dass dieser Sektor dem Herrscher des Emirats, einem promovierten Agrarökonomen, sehr am Herzen liegt. Um auch andere Wirtschaftszweige zu fördern, wurde Khor Fakkan, der Hafen an der omanischen Golfküste, ausgebaut. Nun können Güter aller Art von Port Khaleed in Sharjah-Stadt auf dem Landweg an die Ostküste des Emirats transportiert werden. Dies bringt den Reedereien eine Zeitersparnis von zwei Tagen und befreit die Schiffseigner so von erheblichen Gebühren.
Bereits 1977 wurde mit „Expo Centre Sharjah“ das erste Messegelände in den VAE etabliert. Nach einer Modernisierung und Erweiterung wurde es im Jahr 2002 neu eröffnet und zieht mit internationalen Ausstellungen und Veranstaltungen tausende Besucher an. Die Außenwirtschaft und Investitionen wurden durch die Schaffung der Freihandelszonen „Sharjah Airport International Free Zone“ (SAIF Zone) und „Hamriyah Free Zone“ (HFZ) sowie durch niedrige Einfuhrzölle in einer geschäftsfreundlichen Atmosphäre angekurbelt. Dort haben sich bis heute bereits mehr als 40 deutsche Firmen niedergelassen.