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AUSGABE Nr. 21 März - April 2010

Faszination des Orients im Dresdner Residenzschloss
Die gröβte Sammlung osmanischer Kunst in Deutschland öffnet im März ihre Tore

Eine der umfangreichsten Sammlungen osmanischer Kunst auβerhalb der Türkei kann seit dem 7. März 2010 im Dresdner Residenzschloss besichtigt werden. Die Eröffnung der „Türckischen Cammer“ folgte der erfolgreichen Rückkehr der Rüstkammer in das ehemalige Regierungszentrum der sächsischen Kurfürsten.

Nachdem bereits das populäre Museum „Grünes Gewölbe“, die Schatzkammer der Wettiner, im Jahr 2006 im Dresdner Residenzschloss wieder eröffnet wurde, soll die Einweihung der „Türckischen Cammer“ das nächste bedeutende Ereignis auf dem Weg sein, der die Vollendung des Residenzschlosses als eines der wichtigsten Museumszentren Europas zum Ziel hat. Die „Türckische Cammer“ ist kein neues Museum, sondern ein bislang nicht adäquat präsentierter Teil einer historisch sowie künstlerisch bedeutsamen Sammlung, die nun als neue Dauerausstellung auf 750 Quadratmetern eine der weltweit prächtigsten und bedeutsamsten Kollektionen osmanischer Kostüme, Zelte, Waffen, Reitzeuge, Fahnen und auch andere Kunstwerke des 16. bis 19. Jahrhunderts erlebbar macht. Die Orientalica des sächsischen Hofes ist erstmals seit 70 Jahren wieder für die Öffentlichkeit zugängig. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die meisten Objekte nach Leningrad gebracht und gelangten erst 1958 nach Dresden in die Rüstkammer zurück. Bis 1942 war ein Teil davon im Dresdner Johanneum zu sehen.

Die Exponate umfassen rund 600 orientalische und orientalisierende Objekte und stellen damit einen riesigen Bestand an exquisiten Kunstwerken dar, den sächsische Herrscher über mehrere Jahrhunderte hinweg erworben hatten. Dies geschah überraschenderweise weniger durch Beutezüge während der zahlreichen Schlachten gegen die Osmanen – den so genannten „Türkenkriegen“ zwischen Mitte des 15. und Ende des 17. Jahrhunderts  - als durch Staatsgeschenke sowie gezielte Ankäufe aus der Türkei. Hauptattraktionen der „Türckischen Cammer“ sind Teile prächtig ausgestatteter, mit Applikationen aus Seide und vergoldetem Leder versehener osmanischer Staatszelte sowie prunkvoll verziertes Reitzeug. Da Pferde zur damaligen Zeit nicht nur als Statussymbol, sondern auch als begehrte Geschenke der Fürsten- und Königshäuser galten, wurde ihre Eigenschaften und Rassenmerkmale oftmals genauestens schriftlich festgehalten.

Die Gründung der Sammlung geht auf das 16. Jahrhundert zurück, ist jedoch nicht genau datiert. Der Name „Türckische Cammer“ tauchte erstmals 1614 auf. Viele der sächsischen Kurfürsten waren, wie August der Starke, der so genannten „Türkenmode“ des späten 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts verfallen, bei der die Faszination für orientalische Objekte und das Sammeln dieser ihren Höhepunkt in Europa erlebten. Ein Teil der Sammlung ist westlichen Ursprungs und entstand unter dem Einfluss des osmanischen Kunststils. Die sächsischen Kurfürsten ermöglichten und förderten neben dem Sammeln authentischer Objekte auch die Schaffung orientalisierender Kunstwerke durch europäische Künstler. Kultureller Austausch fand einerseits in gewisser Weise durch in Kriegen erbeutete, beziehungsweise auf Schlachtfeldern zurückgelassene Gegenstände der gegnerischen Seite statt, jedoch andererseits in bedeutenderem Maße durch Reiseberichte und Souvenirs, sowie durch den Austausch diplomatischer Geschenke zwischen Königen und Sultanen. Auf diesen Wegen erworbene Gegenstände ermöglichten es den Menschen damals, Rückschlüsse auf die Kunst, den Lebensstil, sowie die Verwaltungsformen, Esskultur und militärische Struktur anderer Kulturen zu ziehen.

Die Restaurationsarbeiten an insgesamt etwa 340 der 600 Ausstellungsobjekte nahmen fast zwei Jahrzehnte und die Mitarbeit und Erfahrung von zeitweise bis zu 34 Restaurateuren in Anspruch. Allein die Instandsetzung des größten Objekts der Ausstellung, einem zwanzig Meter langen, acht Meter breiten und fast sechs Meter hohen Staatszeltes, kostete über 3,6 Millionen Euro. Speziell bei diesem Gegenstand wurden aber weder Kosten noch Mühen gescheut, denn schlieβlich besitzen nur sehr wenige europäische Museen ähnliche textile Kostbarkeiten aus dem 17. Jahrhundert.

Ein völlig neues Ausstellungskonzept wird die „Türckische Cammer“ von nun an stimmungsvoll inszenieren. Abgedunkelte Räume zum Schutz der wertvollen Textilien erzeugen eine geheimnisvolle Gesamtatmosphäre, in der die prachtvollen Ausstellungsstücke gezielt beleuchtet werden, um deren Glanz hervorzuheben. Räumlich gliedert sich die Ausstellung in drei Bereiche mit Objekten sowie einen Medienraum.

Ahmet Acet, Botschafter der Türkei in Deutschland, hebt die soziale Dimension einer solchen Sammlung so hervor:„Jede Ausstellung in Deutschland über die Türkei erfüllt bedeutende Funktionen. So erlangen die türkischen Mitbürger in Deutschland tiefergehende Erkenntnisse über ihre eigene Geschichte, während die deutschen Bürger über die osmanische Geschichte beziehungsweise über die Vergangenheit ihrer türkischen Mitbürger Eindrücke sammeln können.“

Kenntnisse über die Herkunft und die kulturelle Prägung des Anderen sind wichtige Schritte auf dem Weg zu Annäherung und Völkerverständigung. Die einzige vergleichbare Sammlung in Deutschland ist das Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum in Berlin, das 2019 nach Umbauarbeiten wieder eröffnet werden soll. Teile der in der „Türckischen Cammer“ enthaltenen Gegenstände gehören zu den bedeutendsten Zeugnissen osmanischer Kunst weltweit. Der Ruf Dresdens als bedeutende europäische Kulturstadt mit einer einmaligen Altstadtkulisse wird damit sicher weit über die deutschen Grenzen hinausreichen. 

Mehr Informationen: www.skd-dresden.de