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AUSGABE Nr. 24 September / Oktober 2010

Ein Spiel für Gentlemen
Cricket entwickelt sich in den VAE zu einer der beliebtesten Sportarten

Wussten Sie, dass Berlin die Wiege des Cricket-Sports ist? Zumindest aus deutscher Sicht. Dort wurden 1850 und 1883 die ersten Cricket Clubs gegründet und 1913 der erste „Deutsche Cricket Bund“ aus der Taufe gehoben. Deutschland ist sogar Gründungsmitglied der „European Cricket Federation“ (ECC) und seit 1991 Mitglied des „International Cricket Council“ (ICC). Heute gibt es in fast jedem Bundesland einen Verein. Dabei sollte Cricket eher zu den Sportarten gehören, die man in England oder Australien vermuten würde, nicht aber in der Fußball- und Eishockey-Hochburg Deutschland. Weit gefehlt. Denn Deutschland ist auf dem besten Wege, zumindest in Europa eine der Top-Nationen in dieser Sportart zu werden. Bei den erst kürzlich stattgefundenen ICC Europe Division 2 Championships wurde das Team aus Deutschland Zweiter. In der Rangliste ist es Zehnter von insgesamt 104 gelisteten Teilnehmern. Vom 6. bis zum 12. November ist das deutsche Team sogar zu Gast in Kuwait bei der WCL-Meisterschaft.

Viel populärer als in Deutschland ist das Spiel aber hier in den Vereinigten Arabischen Emiraten – auch wenn man deutsche „Expats“ auf den Zuschauerrängen zumeist noch vergeblich sucht. Dort tummeln sich überwiegend Sportfans aus Pakistan und Indien – nach England und Australien die größten Cricket-Nationen weltweit. „Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendwo auf dieser Welt Cricket gespielt wird“, sagt Dilawar Mani, der CEO des VAE Cricket Board und langjähriger Präsident des Abu Dhabi Cricket Club. Knapp 800 Millionen Menschen weltweit verfolgen beispielsweise die Spiele, wenn Indien auf Pakistan trifft. Im Vergleich dazu: Bei der Fußball-Weltmeisterschaft sahen weltweit rund 700 Millionen Zuschauer das Finale zwischen Spanien und Holland. Dilawar Mani ist eine der treibenden Kräfte hinter der Sportart Cricket in den VAE und mitverantwortlich dafür, dass sie in der Region immer beliebter wird und hier hochkarätige Turniere stattfinden.

„Für viele Menschen hier in den VAE ist Cricket fast ein Nationalsport“, sagt er. Mittlerweile gebe es sogar ein VAE-Cricket-Team. Die Top-Teams kommen allerdings von den West-Indies, aus England, Südafrika, Pakistan, Indien, Sri Lanka, Bangalore, Australien, Simbabwe und Neuseeland. Dilawar Mani aber ist sich sicher, dass das VAE-Team das Zeug für eine erfolgreiche Profi-Karriere hat. „Wir wollen ganz nach oben und versuchen alles, um dem Team den Weg dazu zu bereiten.“ Tatsächlich fehle in den VAE dafür derzeit noch die nötige Infrastruktur. An Nachwuchstalenten wiederum mangle es nicht. Der lokale Cricket-Verband hat vor einiger Zeit eine Cricket-Akademie für Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen. Und die Nachfrage ist enorm. Gegenwärtig trainieren dort 200 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 8 und 19 Jahren. Neun Trainer kümmern sich um die jungen Spieler in Abu Dhabi.

Doch nicht nur dort, sondern auch in Al Ain, Sharjah und Dubai, gibt es solche Akademien. In den drei Stadien in Abu Dhabi, Dubai und Sharjah herrscht dementsprechend reger Betrieb. Die Wiege des Cricket-Sport in den VAE ist Sharjah. „Über 200 Spiele wurden dort schon ausgetragen“, erinnert sich Dilawar Mani.

Für ihn ist Cricket eine der schönsten Sportarten. „Cricket ist ein Spiel für Gentlemen“, sagt er. Denn Teamwork, Fairplay, Ehrlichkeit und Anstand seien essentielle Bestandteile des Spiels. „Cricket ist wohl der einzige Sport, bei dem Spieler ihre eigenen Fouls melden“, sagt er. Cricket zu spielen bilde den Charakter, ist Mani überzeugt. „Wer Cricket spielt, der hat nicht nur das sportliche Vergnügen, sondern profitiert weitaus mehr davon.“ Die Konzentrationsfähigkeit, die Geduld und das Durchhaltevermögen, das man als Cricket-Spieler beweisen müsse, machen sich auch im Alltag bezahlt.

Dilawar Mani hat selbst viele Jahre Cricket gespielt. Er spricht also aus Erfahrung. Seine Leidenschaft für den Sport kennt daher keine Grenzen. „Ich stehe heute noch nachts auf, um mir Spiele anzusehen.“ Dabei ist es dem gebürtigen Pakistaner gleich, ob sein Team auf dem Rasen steht oder ein anderes. „Hauptsache, es ist ein gutes Spiel“, sagt er.

Seit 2006 ist der heute 64-Jährige so eine Art Cricket-Botschafter in den Emiraten. Der ehemalige Finanzexperte hätte sich schon lange auf sein Altenteil zurückziehen können, der Sport aber lässt ihn nicht los und treibt ihn an. Er ist immer darauf bedacht, die VAE zu einer Drehscheibe für den Sport zu machen. Für ihn ist das eine Herzensangelegenheit. Diese Leidenschaft hat ihn nun auch dazu motiviert, eine der hochkarätigen Cricket-Meisterschaften in die VAE zu holen. Im Oktober und November spielt Pakistan in verschieden Formaten gegen Südafrika. Normalerweise würde man eine Meisterschaft dieser Größenordnung in Pakistan austragen. Die derzeitige Situation aber lasse ein Turnier dort nicht zu. Aufgrund der vielen Pakistaner, die in den VAE leben, lag es deshalb nahe, die Emirate als Austragungsort zu wählen. „Jetzt haben wir eines der besten Turniere, das der Sport zu bieten hat, hier vor unserer Haustür“, freut sich der Experte. Zudem sei es das erste Mal, dass ein sogenanntes T20 in Abu Dhabi gespielt werde. Ein T20 ist ein extrem verkürztes Spiel von etwa dreieinhalb-stündiger Dauer. „Das ist fast wie in einen Bollywood-Klassiker zu gehen“, scherzt Mani. In der Ursprungsform geht ein Cricket-Spiel über fünf Tage, das ist ein sogenanntes Test Match. Neben diesen beiden Formaten gibt es in der Cricket-Welt auch noch das ODI. Dieses Spiel erstreckt sich über sieben bis acht Stunden. Das T20 aber sei derzeit die populärste Form, da es aufgrund seiner verkürzten Form auch Besucher aufs Spielfeld lockt, die nicht das Sitzfleisch und die Ausdauer für das herkömmliche Format haben.

Dilarwar Mani erwartet für das Turnier, das gemeinsam mit „Delwood“ organisiert wird, ein volles Haus. „Die Begegnungen zwischen Südafrika und Pakistan sind meist sehr beliebt und die Zuschauer können dort einige der besten Cricket-Spieler der Welt sehen.“

Das Turnier
Die Pakistan/ Südafrika - Meisterschaft findet an folgenden Terminen statt:
27. Oktober:  Abu Dhabi, T20-Format
29. und 31. Oktober: Abu Dhabi, erstes und zweites ODI
2. , 5. und 8. November: Dubai, drittes, viertes und fünftes ODI
12. bis 16. November: Dubai, Test Match (fünf Tage)
20. bis 24. November: Abu Dhabi, Test Match (fünf Tage)

Cricket für Anfänger (Quelle: Deutscher Cricket Bund)
Cricket ist ein Schlagballspiel für je elf Spieler pro Team. Obwohl der Spielablauf und die Regeln völlig anders sind als im Baseball, ist der Grundgedanke doch sehr ähnlich. Das Spiel ist in Durchgänge, in sogenannte „Innings“ unterteilt. In denen versucht die jeweilige Schlagmannschaft, Punkte (Runs) zu erzielen, während die Feldmannschaft darauf aus ist, die gegnerischen Schlagleute (Batsmen) rauszuwerfen. Sobald 10 der 11 Batsmen ausgeschieden sind, ist das Inning beendet und die Rollen der Mannschaften werden getauscht. Ziel ist es, am Ende mehr Runs zu haben als der Gegner in seinen beendeten Innings. Ein Spiel kann auf ein oder zwei Innings pro Mannschaft angesetzt sein.

Das Spielfeld
Form und Größe eines Cricket-Feldes sind nicht vorgeschrieben. Es ist aber immer ein Rasenfeld und meist ein Oval mit einem Durchmesser von etwa 100 bis 140 Metern, begrenzt von einer weißen Linie, einem Tau, einem Zaun oder kleinen Flaggen. In der Mitte des Spielfeldes liegt die etwa 20 Meter lange Spielbahn (Pitch). An ihren Enden befinden sich zwei Wickets.  Die Pitch ist der am sorgfältigsten präparierte Teil des Feldes, extrem kurz geschnitten und häufig gewässert und gewalzt.
Wickets: An den Enden der Pitch stehen im Abstand von 20,12 Metern die beiden Wickets. Sie bestehen jeweils aus drei senkrechten Stäben (Stumps), auf denen zwei kurze Querhölzer (Bails) liegen.
Stumps: Pro Wicket benötigt man drei 71,1 Zentimeter hohe Holzstäbe mit einem Durchmesser von ca. 3,6 Zentimetern. Sie werden mit ihrem spitzen Ende in gleichmäßigem Abstand in den Boden geschlagen, so dass sie zusammen das 22,9 Zentimeter breite Wicket bilden. Dadurch stehen sie gerade so weit auseinander, dass der Ball nicht zwischen ihnen hindurchfliegen kann.
Bails: Die beiden Bails sind je 11 Zentimeter lang und verbinden die Stumps miteinander, indem sie in kleinen Vertiefungen auf deren Spitze liegen.

Der Spielablauf
Vor dem Spiel werfen die Kapitäne eine Münze und der Gewinner kann wählen, ob seine Mannschaft zuerst im Feld spielt oder mit dem Schlagen beginnt. Alle elf Spieler der Feldmannschaft, aber jeweils nur zwei Spieler der Schlagmannschaft, befinden sich gleichzeitig auf dem Spielfeld. Die restlichen neun Spieler der Schlagmannschaft warten außerhalb des Feldes auf ihren Einsatz. Beide Batsmen tragen Schutzausrüstung und ihre Schläger. Die beiden Batsmen besetzen je eines der beiden Wickets und stellen sich an ihrer Schlaglinie (Popping Crease) auf. Der Batsman, auf den der Bowler zunächst werfen wird, ist der Striker; der Batsman am anderen Wicket ist der Non-Striker. Der Striker steht vor seinem Wicket, der Non-Striker neben seinem Wicket, damit der Bowler von der anderen Seite aus werfen kann. Hinter dem Striker steht der Wicket-Keeper, der wie der Bowler zur Feldmannschaft gehört. Einer der beiden Schiedsrichter befindet sich auch an der Pitch.
Der Bowler, als einer der Feldspieler, wechselt nach jeweils 6 Bällen (6 Bälle sind ein Over). Er läuft zu seinem Wurf an und wirft üblicherweise so, dass der Ball vor dem Striker aufspringt. Der Wicket-Keeper steht hinter dem Wicket, auf das der Bowler dann werfen wird. Er ist der einzige Feldspieler, der Schienbeinschützer (Pads) und Fanghandschuhe trägt. Die anderen neun Feldspieler werden vom Kapitän so über das Spielfeld verteilt, dass sie Runs der Batsmen verhindern und diese ins Aus schicken können.

Punkte erzielen
Immer, wenn der Striker den Ball schlägt, kann er punkten (Runs erzielen). Dies geschieht dadurch, dass er (der Striker) und sein Partner (der Non-Striker) auf das jeweils andere Wicket zulaufen und hinter die dortige Popping Crease gelangen; mit andern Worten: Sie tauschen ihre Plätze. Sie können sofort umkehren und zu einem zweiten und weiteren Run starten; die Feldmannschaft wird jedoch den Ball so schnell wie möglich wieder zu einem der beiden Wickets zurückwerfen, um die Batsmen am weiteren Punkten zu hindern. Wenn nämlich ein Feldspieler mit dem Ball eines der Wickets zerstört und der auf dieses Wicket zulaufende Batsman die Popping Crease noch nicht erreicht hat, so scheidet er aus (Run Out). Genau genommen scheidet in diesem Fall der Batsman aus, der sich näher am entsprechenden Wicket befunden hat. Das Wicket kann entweder mit einem direkten Wurf zerstört werden oder indem der Ball zu einem am Wicket stehenden Mitspieler geworfen wird, der es dann zerstört. Dazu muss mindestens eines der Bails von den Stumps herunterfallen. Die Batsman halten ihre Schläger beim Rennen in den Händen und beim Umkehren zum nächsten Run berühren sie den Boden hinter der Popping Crease mit ihrem ausgestreckten Schläger- auf diese Weise sparen sie ein bis zwei Meter beim Rennen.
Die Batsmen müssen aber nach einem Schlag nicht rennen, wenn sie es für zu gefährlich halten (Run-Out Gefahr).  Es ist alles andere als ungewöhnlich, den Ball zu schlagen und dann trotzdem nicht zu rennen. Wenn die Batsmen eine ungerade Zahl an Runs erlaufen, haben sie ihre Rollen als Striker/Non-Striker getauscht und der nächste Ball wird entsprechend gegen den anderen Batsman geworfen. Außer dem Fall, dass der letzte Ball war auch der letzte des Overs war, denn nach jedem Over wird nicht nur der Bowler gewechselt, sondern der neue Bowler wirft sein Over auch vom anderen Wicket aus.
Der Batsman kann auch Runs erzielen, indem er den Ball über die Spielfeldgrenze schlägt; das zählt vier Runs, ohne dass die Batsmen dafür laufen müssen. Schlägt der den Ball direkt ohne zwischenzeitliche Bodenberührung über die Grenze, zählt der Schlag sechs Runs. In beiden Fällen können die Batsmen nicht zusätzlich durch Platzwechsel Runs erzielen. Der Ball ist in diesem Moment „tot“ und die Batsmen können dann auch nicht mehr durch „Run Out" ausscheiden. So ein 4er oder 6er wird als „Boundary" bezeichnet.
Die Batsmen begnügen sich normalerweise mit den erzielten Runs, sobald ein Feldspieler den Ball zu den Wickets zurückwirft. Wirft er aber den Ball über das Ziel hinaus, können die Batsmen zu neuen Runs starten. Solche Runs werden „Overthrows" genannt und wenn der Ball in diesem Fall die Spielfeldgrenze erreicht, zählen alle vor dem Wurf erlaufenen Runs zusätzlich zu den vier Runs.
Durch die Batsmen erzielte Runs und auch etwaige Overthrows werden (außer seiner Mannschaft) natürlich immer dem Batsman gutgeschrieben, der den Ball geschlagen hat (also dem Striker) und in der Bowlingstatistik dem entsprechenden Bowler (in seinem Fall gilt natürlich: je weniger, desto besser).
Wenn ein Batsman beim Umkehren zu einem weiteren Run nicht den Boden hinter der Popping Crease berührt, wird der Schiedsrichter an diesem Pitchende einen „Short Run" anzeigen und diesen Run nicht werten.

Genauere Infos gibt es auf der Homepage des Deutschen Cricket Bundes unter www.cricket.de oder auf www.crickinfo.com.