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AUSGABE Nr. 34: Mai – Juni 2012

Ein neuer Stern am Modehimmel
Abaya-Designerin Amal Murad aus Dubai im Interview

Im zarten Alter von 12 Jahren hatte sie bereits ihr erstes Kleid entworfen und innerhalb weniger Jahre kannte man in Modekreisen in ihrem Heimatland und darüber hinaus ihren Namen. Die emiratische Designerin Amal Murad stellt mit ihren modernen Interpretationen der klassischen Abaya die Modewelt auf den Kopf – und sie ist mit ihrer Arbeit erst am Anfang. DiscoverME traf die charismatische Geschäftsfrau zu einem Gespräch.

Frau Murad, erzählen Sie uns doch zunächst, was Sie auf den Pfad des Modedesigns brachte.

AM: Für mich war es der sprichwörtliche Zickzackkurs, der mich auf direktem Weg zum Erfolg führte. Wenn ich Ihnen sage, dass ich aus einer Maler- und Architektenfamilie stamme und hobbymäßig Kleider für Familie und Freunde entwerfe, seit ich zwölf Jahre alt bin, werden Sie denken, dass es nur die logische Konsequenz für mich als Frau aus den Vereinigten Arabischen Emiraten war, Abayas zu kreieren. Mein Leben jedoch nahm einige Umwege, bis ich an dem Punkt ankam, an dem ich heute stehe.

Erzählen Sie uns etwas mehr über diese Umwege!

AM: Als Abiturientin wollte ich Zahnärztin werden. Zu dieser Zeit dachte ich nicht darüber nach, das Entwerfen von Bekleidung zu meinem Beruf zu machen. Mode war immer ein Teil von mir, dennoch träumte ich davon, etwas Großes zu tun. Ich wollte meinen Teil dazu beitragen, das Leben anderer Menschen zu verändern und es war mir nie in den Sinn gekommen, dass ich dies tun könnte, indem ich eine professionelle Designerin würde. Ich schrieb mich für Mathematik an der Universität ein, um die Zeit zu überbrücken, bis mein jüngerer Bruder die Schule beenden und mit mir nach Großbritannien gehen würde, so dass wir zusammen Medizin studieren könnten. Alleine ins Ausland zu ziehen war für ein Mädchen aus meinem Kulturkreis schließlich nahezu undenkbar. Eines Nachts hatte ich einen Traum, in dem ich mich in einem Raum stehen sah, welcher der Hörsaal einer Universität zu sein schien. Ich sprach zu einer großen Zuhörerschaft. In diesem Traum fühlte ich mich so erfüllt wie nie zuvor und mir wurde bewusst, dass es Unterrichten war, was mich glücklich machen würde. Zunächst nahm mein Leben jedoch eine andere Wendung. Noch als Studentin verlobte ich mich und ehe ich mich versah, hatte ich geheiratet und begonnen, meine eigene Familie zu gründen. Mit inzwischen vier Kindern fordert allein mein Alltag schon seinen Tribut. Familie und Kinder sind nach wie vor eine wichtige Sinnstiftung und Glücksquelle für mich; dennoch gab es Zeiten, in denen ich mich leer fühlte. Hatte ich nicht mehr erreichen wollen? War es nicht mein Ziel gewesen, das Leben von Menschen außerhalb des kleinen Kreises meiner Lieben verändern zu wollen? Während all der Jahre hatte ich meine Begeisterung für das Gestalten von Abendkleidern für Verwandte und Freunde behalten und endlich wurde mir klar, dass es an der Zeit war, diese Leidenschaft ernst zu nehmen.
Sie gründeten Ihr Modelabel „Redaa“, benannt nach dem arabischen Wort für „Zufriedenheit“ oder „Einklang“, im Jahre 2006, nur wenige Jahre vor der globalen Finanzkrise. Ein äußerst ungünstiger Zeitpunkt für einen Markteintritt. Wie schafften Sie es, die Anfangsjahre durchzustehen?

AM: Ende 2005 begann ich mit dem Entwerfen von Abayas. Meine erste offizielle Kollektion, präsentiert im Januar 2006 auf der weltbekannten Brautschau in Abu Dhabi, wurde von der Kritik gefeiert und war darüber hinaus ein wirtschaftlicher Erfolg. Mein Mann betrachtete meine Arbeit als Designerin zunächst als eine Art Hobby, dessen ich über kurz oder lang müde werden würde. Sobald sich jedoch der tatsächliche Erfolg meiner Kollektionen abzeichnete, verwandelte er sich zu meinem größten Unterstützer. Meine jüngste Tochter war zu diesem Zeitpunkt erst zwei Jahre alt und während der ersten Jahre hatte ich keine Angestellten. Meiner Arbeit konnte ich nur zwei Nachmittage pro Woche widmen, während mein Mann die Kinder versorgte. Dann traf uns die weltweite Rezession und natürlich war auch mein Unternehmen davon betroffen. Dennoch blieb ich meinem Motto treu: weiterzumachen, was immer auch passierte.

Welche Rolle spielen Ihre Herkunft und Ihre Familie für Ihre Karriere?
AM: Die Liebe für alles ästhetisch Wertvolle war in der Tat in meiner Familie verankert, so lange ich denken kann. Meine Mutter tat alles dafür, die Kreativität jedes einzelnen ihrer sieben Kinder zu fördern. Sie gab uns Raum für Experimente und unterstützte all unsere Ideen bedingungslos. Mein Vater, der selbst Künstler ist, gab uns Kindern nicht nur seine strengen Wertvorstellungen weiter, sondern lehrte uns auch, unsere intellektuellen Kapazitäten zu nutzen und uns ständig weiter zu entwickeln. Es ist wohl die Kombination beider Einflüsse, die mir die Stärke und das Selbstbewusstsein für all das gab, was ich jemals in meinem Leben beginnen sollte.

Damit hatten Sie also Ihr Ziel erreicht?

AM: Meine neue Aufgabe sowie die Geschäftigkeit und die Anerkennung, die sie mir brachte, ermutigte mich. Aber ich brauchte lange Zeit, bis mir klar wurde, dass noch etwas Wichtigeres unbemerkt nebenbei passiert war. Jahre, nachdem ich mein eigenes Modelabel gegründet hatte, nachdem ich mich von meinem ursprünglichen akademischen Feld und allem, was mich meinem Traum vom Lehrersein hätte näher bringen sollen, entfernt hatte, erhielt ich einen Anruf von der Hochschule für Frauen aus Fujairah. Sie luden mich ein, in ihrer Universität eine Vorlesung über Modedesign zu halten. Ich brach in Tränen aus, weil mir plötzlich klar wurde, dass ich nie wirklich von meinem Ziel abgekommen war. Im Gegenteil: Mein Leben hatte mich auf diese Reise mitgenommen, um mich meinem Traum Stück für Stück näher zu bringen und an diesem Tag war er endlich wahr geworden. Wenn ich auch nicht auf dem direkten Weg ans Ziel gekommen war, so wurde mir doch klar, dass ich all diese Erfahrungen gebraucht hatte, um die Person zu werden, die ich heute bin.

Wie vereinbaren Sie als Ehefrau und Mutter von vier Kindern Familie und Karriere?

AM: Ich denke nicht, dass meine Kinder darunter leiden, dass ihre Mutter beschäftigt oder viel unterwegs ist. Vielmehr glaube ich, dass sie unabhängiger und reifer sind als viele ihrer Altersgenossen.
Gab es denn nie Zeiten, in denen Sie an Grenzen stießen und ans Aufhören dachten?

AM: Natürlich gab es diese Zeiten. Meine Kinder sind tatsächlich der einzige Grund, für den ich meine Karriere beenden würde. Aber nicht einmal sie wollen das. Heute ist es meine Familie, die mich antreibt, wenn ich an mir zweifle und die mich auffängt, wenn ich an Grenzen stoße. Sie ist meine moralische wie auch praktische Unterstützung und dafür bin ich unendlich dankbar.
Neben der Arbeit in Ihrem eigenen Label sind Sie auch als Beraterin und Mentorin für mehrere Modeschulen im Nahen Osten tätig. Was motiviert Sie zu dieser Zusatzarbeit?

AM: Was mich an der Arbeit mit aufstrebenden jungen Designern reizt, ist die Tatsache, dass ich während früherer Kooperationen mit etablierten Designern unter deren Unwillen, Ratschläge oder Meinungen von Ebenbürtigen anzunehmen, gelitten habe. Das führt letztendlich zur Ablehnung von neuem Wissen - schlichtweg aus dem Grund, dass es von Gleichgestellten und nicht von Übergeordneten kommt. Meine Vision ist es, zur Entwicklung meines Fachs beizutragen, indem ich zur Veränderung von Sichtweisen anrege oder Wissen weitergebe, statt nur in mir und für mich selbst zu leben. Als ich mein eigenes Unternehmen gründete, erfuhr ich am eigenen Leib, dass die Arbeit eines Designers nicht mit Kreativität endet. Ein Designer muss ebenso die unternehmerische Seite seines Betriebs als auch den Markt als Ganzes im Blick behalten. Vieles davon, was ich als wichtig für mein Arbeitsgebiet empfinde, musste ich mir selbst erarbeiten. Dieses Wissen will ich nun den jungen Kollegen in meinem Mentorprogramm weitergeben, damit sie einen direkteren Weg als meinen gehen können.
Außerdem agieren Sie als Markenbotschafterin für große Namen wie Swarovski, Van Cleef und Henkel im Nahen Osten. Was bedeutet es Ihnen persönlich, dafür ausgewählt worden zu sein?

AM: Zurzeit stecke ich mitten in den Dreharbeiten für die Arwa’a Abaya Competition und den Abaya Award, den die Henkel-Marke Persil Abaya Shampoo ins Leben gerufen hat. Zum einen bietet dieses von MBC1 ausgestrahlte Programm natürlich eine großartige Gelegenheit für mich, mich sowohl unter bereits bekannten als auch aufstrebenden jungen Abaya-Designern positionieren zu können. Darüber hinaus zeigt es mir auch, dass mein Label einen hohen Markenwert im Nahen Osten besitzt. Wenn sogar Luxusmarken wie Van Cleef und Swarovski mich zu ihrer Markenbotschafterin in der Region machen, heißt das, dass meine Arbeit geschätzt wird. Das ist es, worauf es für mich ankommt. Dass ich unter allen Abaya-Designern ausgewählt wurde, um diese großen Namen im nahöstlichen Markt zu repräsentieren, füllt mich mit Stolz. Ich glaube, was in solchen Fällen den Ausschlag gibt, ist, dass ich mit meiner Arbeit eine Botschaft vermitteln will. Diese Zielgerichtetheit kommt in Form von Wertschätzung meines Namens und meiner Marke zu mir zurück. Für seine Ideale zu arbeiten, heißt letztendlich, Marketing für sich selbst zu betreiben. Solange man sein Ziel kennt und es mit Hingabe verfolgt, ergibt sich der Rest normalerweise von selbst. 

Frau Murad, wir danken Ihnen für das Interview und wünschen Ihnen für Ihre zukünftigen Projekte weiterhin viel Erfolg. [CB]