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ISSUE No. 15 March - April 2009

Zeit zum Umdenken
Krisenbewältigung in der Golfregion

Die Medien überschlagen sich täglich mit Negativmeldungen. Die Finanzkrise hält die Welt im Würgegriff. Und auch die sonst so privilegierten Golfstaaten, in denen man bis vor kurzem glauben konnte, dass das stetige Wachstum nie ein Ende nehmen würde, sind ins Straucheln geraten.

Ist die Weltuntergangsstimmung berechtigt? Ein klares Nein kommt von Bashar Barakat, Regionaldirektor des Bereiches GCC und Jemen bei der Dresdner Bank. „Als Ökonom, Banker und Araber sehe ich kein Untergangsszenario, wie es anderswo auf dieser Welt gezeigt wird.“ Man müsse nur seine Sichtweise anpassen, sagt der gebürtige Jemenite. „Es ist besonders für Europäer wichtig, die Dinge hier anders zu sehen als man das von zu Hause gewohnt ist.“  Die Golfregion ist seiner Meinung nach der Ort, an dem man in schweren Zeiten bestens aufgehoben sei. Unbestritten sei, dass die Welt derzeit mit einer schwierigen Zeit konfroniert wird, für die VAE allerdings gelten mildernde Umstände. „Wir müssen versuchen, die Kirche im Dorf zu lassen“, sagt Barakat, der auch schon in Kairo und Bonn gelebt hat. Denn nüchtern betrachtet, habe diese Region mehr zu bieten als der Rest der Welt. In schweren Zeiten reduziere sich alles auf das Notwendigste, auf Grundbedürfnisse. Und allein die könne die Region aus den reichhaltigen Ressourcen decken. „Trotz aller Bestrebungen, allein auf Tourismus und Bauboom zu setzen, lebe die Region noch immer von der Öl- und Gasindustrie, immerhin gibt es hier 40 Prozent aller Vorkommen weltweit.“ Und so lange die fossile Energie existiere und diese genutzt werde, könne auch der Finanzstrom fließen. „Andere Länder haben zum Vergleich nur mehr oder weniger wertloses Papiergeld, die Region hier hat wahre Schätze.“

Das ist aber nicht der einzige Grund, warum der 47-Jährige die Situation so optimistisch sieht. Wegen des demographischen Faktors sowie der Besonderheiten der Golfregion, insbesondere auch wegen der traditionellen Stammeskultur ließen sich Krisensituationen leichter bewältigen. „Ohne das jetzt werten zu wollen, kann hier viel schneller reagiert werden als beispielsweise in Deutschland.“ Deutschland, so erklärt Barakat, laufe beispielsweise Gefahr, in eine Krisenspirale abzudriften. Menschen verlieren ihre Arbeit, der Staat finanziert die Arbeitslosigkeit, die Kaufkraft nimmt ab, es gibt kein Geld zum Refinanzieren der Kosten. Wer hier seine Arbeit verliere, falle dem Staat nicht zu Last. Selbstverständlich stagniere auch hier die Kaufkraft, aber der Staat habe nicht zusätzlich mit hohen Kosten zu kämpfen. Außerdem erlaube das politische System hier schnelle Entscheidungen. Es müsse keine Rücksicht auf Verbände, Institutionen oder Gewerkschaften genommen werden. „Entscheidungen werden hier im kleinen Kreis getroffen und sofort umgesetzt“, sagt der Volkswirt. Diese schnelle Reaktionszeit sei ein großer Vorteil in einer Krisenzeit.  Ein weiterer wichtiger Punkt aber seien Kultur und Tradition der Golfaraber selbst. „Das öffentliche Bild von Dubai und der Region ist hypermodern. Man sieht Reichtum, Luxus, Glamour. Dahinter allerdings verbirgt sich bis heute eine Stammeskultur, ein Zusammenleben nach ganz bestimmten Regeln.“ Die Zeiten, in denen die Meinungsmacher von heute mit Zelt und Kamel als Beduinen lebten und der Zusammenhalt das Überleben sicherten, sind nicht noch allzu lange her. Zwischen den herrschenden Familien – nicht nur in den VAE, sondern auch über die Grenzen hinaus –bestehe ein Geflecht aus Interessen, Macht, Religion und nicht zuletzt aus familiärer Zusammengehörigkeit, welches als Stabilisator wirke. Insbesondere die vielen Hochzeiten zwischen den einzelnen Stämmen fördere das Miteinander. Als ein Beispiel für die andere Denkweise der Araber nennt Barakat die im Januar ausgerufene landesweite Staatstrauer für den verstorbenen Herrscher von Umm Al Quwain. „Drei Tage lang stand hier alles still, sogar das Jubiläum zur Amtseinführung von Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum wurde abgesagt.“ Die gemeinsame Trauer, die moralische Unterstützung für ein vergleichsweise unbedeutendes Emirat wie Umm Al Quwain sei wichtiger gewesen als die wirtschaftlichen Einbußen, die ein solcher Stillstand mit sich bringe. „Die Uhren hier ticken anders, hier zählt noch das Vertrauen in den Stamm. Und der muss trotz einer hypermodernen Fassade aufrecht erhalten werden.“ Für Barakat persönlich ist die Krise ein Segen für die Region, auch wenn seiner Meinung nach der Höhepunkt dieser Krise noch nicht erreicht ist: „Eine Verschnaufpause, in der man Strukturen und Konzepte überdenken und neu durchstarten kann.“